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200 Milliarden für die Bundeswehr – warum das nicht reichen wird
Die Bundesregierung ringt um ein neues Sondervermögen – doch Experten warnen: Ohne Strukturreformen droht das Geld verpuffen.
Die Bundesregierung ringt um ein neues Sondervermögen – doch Experten warnen: Ohne Strukturreformen droht das Geld verpuffen.
Die sicherheitspolitische Realität hat sich verändert. Während sich Europa auf eine ungewisse Zukunft vorbereitet, debattiert die Bundesregierung über eine massive Ausweitung des Bundeswehr-Sondervermögens.
Die ursprünglich 100 Milliarden Euro aus dem Jahr 2022 sind nahezu verplant – nun geht es um mindestens 200 Milliarden Euro zusätzlich.
Doch reicht das, um Deutschlands Verteidigungsfähigkeit nachhaltig zu sichern? Oder droht erneut eine Milliardeninvestition ohne strukturelle Reformen?
Als Bundeskanzler Olaf Scholz 2022 das „Sondervermögen Bundeswehr“ ankündigte, war die Absicht klar: eine schnelle, effektive Modernisierung der deutschen Streitkräfte.
Doch knapp drei Jahre später zeigt sich: Der Großteil der Mittel wurde noch gar nicht verbaut. Komplizierte Vergabeprozesse, ausufernde Bürokratie und eine schwerfällige Rüstungsindustrie haben dazu geführt, dass kaum neues Material die Truppe erreicht hat.
Jetzt wird über eine Verdopplung oder sogar Verdreifachung des Sondervermögens diskutiert – während viele der Probleme weiterhin ungelöst sind.
„Ohne tiefgreifende Reformen in der Beschaffungspolitik und eine effizientere Mittelverwendung werden auch 200 oder 300 Milliarden Euro nicht reichen, um die Bundeswehr wirklich kampffähig zu machen“, warnt Claudia Major, Sicherheitsexpertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
Trotz aller Probleme gibt es keinen Zweifel: Deutschland wird in den nächsten Jahren deutlich mehr für Verteidigung ausgeben müssen.
Die NATO fordert, dass alle Mitgliedsstaaten mindestens zwei Prozent ihres BIP für Verteidigung aufwenden – eine Marke, die Deutschland bislang nur durch das Sondervermögen erreichen konnte. Doch nach dessen Auslaufen 2027 klafft eine Finanzierungslücke von mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr.
Hinzu kommt die strategische Unsicherheit: Der neue US-Präsident Donald Trump hat mehrfach angedeutet, dass die USA ihre Schutzgarantie für Europa nicht länger uneingeschränkt aufrechterhalten werden.
Ein sicherheitspolitisches Szenario ohne die USA als verlässlichen Partner würde bedeuten, dass die europäischen NATO-Staaten ihre Verteidigungsausgaben auf bis zu drei Prozent des BIP anheben müssten. Für Deutschland wären das jährliche Mehrausgaben von bis zu 90 Milliarden Euro.
„Europa muss aufrüsten – nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Ukraine. Und Deutschland muss eine Führungsrolle übernehmen“, betont Lucas Guttenberg, Ökonom bei der Bertelsmann-Stiftung.
Die Liste der Mängel bei der Bundeswehr ist lang:
Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, sprach zuletzt von einem „dramatischen Zustand“, in dem die Truppe nicht in der Lage sei, ihren Verteidigungsauftrag umfassend zu erfüllen.
Doch wie soll die gigantische Summe finanziert werden? CDU-Chef Friedrich Merz schlägt vor, ein weiteres Sondervermögen im Grundgesetz zu verankern. Das hätte den Vorteil, dass die Schuldenbremse nicht angetastet werden müsste.
Doch Ökonomen warnen: Ein fixes Budget könnte sich als ineffektiv erweisen, wenn sich die sicherheitspolitische Lage weiter verschärft.
Alternativ könnte die Bundesregierung höhere Verteidigungsausgaben durch Steuererhöhungen oder Einsparungen in anderen Bereichen gegenfinanzieren. Denkbar wären etwa:
Die SPD und die Grünen signalisieren, dass sie einem höheren Verteidigungsbudget nur dann zustimmen, wenn zusätzliche Mittel für Infrastruktur und Bildung bereitgestellt werden.
Im Gespräch ist ein Paket von bis zu 300 Milliarden Euro, das neben Verteidigung auch Investitionen in die Schienen- und Straßeninfrastruktur sowie erneuerbare Energien umfassen würde.
Doch kann Deutschland sich das leisten? Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) warnt: „Wir müssen in Zukunft schmerzhafte Entscheidungen treffen – sei es durch höhere Steuern oder Einschnitte an anderer Stelle.“
Ein weiterer Punkt der Debatte ist die Rolle der Rüstungsindustrie. Unternehmen wie Rheinmetall, Hensoldt und Airbus profitieren bereits jetzt von den gestiegenen Militärausgaben. Eine langfristige Aufrüstung könnte die deutsche Wirtschaft stärken – aber auch neue Herausforderungen mit sich bringen.
Kritiker warnen, dass eine stärkere Fokussierung auf Rüstungsausgaben zu Lasten anderer Wirtschaftszweige gehen könnte. Gleichzeitig könnte eine Investition in moderne Verteidigungstechnologien – etwa Künstliche Intelligenz oder Drohnensysteme – auch die Innovationskraft Deutschlands langfristig steigern.
Eines ist klar: Deutschland kommt an höheren Verteidigungsausgaben nicht vorbei. Doch einfach mehr Geld in ein dysfunktionales System zu pumpen, wird nicht reichen.
Die Bundesregierung steht vor einer historischen Weichenstellung: Wird das neue Sondervermögen zum Startschuss für eine effizientere und modernere Bundeswehr? Oder droht erneut eine gigantische Investition, die am Ende im Dickicht der Bürokratie versandet?
Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die Politik den Mut hat, nicht nur das Budget zu erhöhen, sondern auch die dringend notwendigen Reformen anzupacken.
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