Fünf Prozent des Haushalts – ein politischer Sprengsatz
441 Euro monatlich für alleinstehende Asylbewerber, 250 Millionen Euro für unbegleitete Minderjährige, fast eine Milliarde für Unterkünfte: Was bislang eher grob geschätzt wurde, liegt jetzt schwarz auf weiß vor.
Berlin hat im Jahr 2024 rund 2,1 Milliarden Euro für die Versorgung und Integration von Geflüchteten ausgegeben – eine Summe, die rund fünf Prozent des gesamten Landeshaushalts ausmacht.
Es ist das erste Mal, dass der Berliner Senat eine derart detaillierte Aufschlüsselung aller migrationsbezogenen Ausgaben vorlegt. Die Zahlen stammen aus einem Bericht der Finanzverwaltung an den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses – und sie werfen Fragen auf.
Denn so präzise die Aufstellung auf den ersten Blick wirkt, so vorsichtig formuliert ist sie im Kleingedruckten:
„Die Höhe der im Bereich Flucht entfallenen Ausgaben lässt sich nur annäherungsweise ausweisen.“
Hintergrund: Viele Leistungen – etwa in den Bereichen Gesundheit, Bildung oder Verwaltung – kommen nicht ausschließlich Geflüchteten zugute, fließen aber teilweise in die Gesamtbilanz ein.
Die teuerste Position: Sozialhilfe und Unterbringung
Spitzenreiter im Budget ist der Bereich Sozialhilfe. Allein 618 Millionen Euro wurden über die Berliner Sozialämter ausgezahlt – darunter Bürgergeld, Kindergeld und andere staatliche Leistungen.
Die Sätze unterscheiden sich je nach Lebenssituation: Ein alleinstehender Asylbewerber erhält derzeit 441 Euro monatlich, Paare 397 Euro pro Person. Jugendliche und Kinder erhalten zwischen 299 und 371 Euro.
Noch teurer ist die Unterbringung: Insgesamt rund 977 Millionen Euro kosteten Wohnraum, Unterkünfte und Unterkunftsnebenkosten im Jahr 2024. Darin enthalten sind auch Zahlungen für temporäre Unterkünfte, Notunterkünfte und Aufwendungen an freie Träger.
Ein besonders kostenintensiver Posten: Unbegleitete minderjährige Geflüchtete. Sie kosten Berlin im Schnitt rund 147.000 Euro pro Person und Jahr – insgesamt knapp 250 Millionen Euro für 1.700 neue Fälle im Jahr 2024. Gründe dafür sind höhere Betreuungsschlüssel, besondere Schutzbedarfe und Unterbringung in spezialisierten Einrichtungen.

Willkommensklassen, Integrationskurse und politische Nebenwirkungen
Rund 262 Millionen Euro flossen 2024 in Integrations- und Bildungsprojekte. Den größten Anteil daran machen Willkommensklassen für schulpflichtige Kinder aus, die allein mit 121 Millionen Euro zu Buche schlagen.
Diese Klassen sollen Kindern mit geringen Deutschkenntnissen den Einstieg ins Regelschulsystem erleichtern – ein Konzept, das in der Praxis immer wieder an personellen und logistischen Engpässen scheitert.
Auch Sprachkurse, psychologische Betreuung, Beratungsstellen und Integrationshilfen fallen in diese Kategorie. Kritiker monieren, dass die Erfolge dieser Programme kaum systematisch evaluiert werden. Befürworter wiederum verweisen auf deren gesellschaftliche Notwendigkeit – und die langfristige Perspektive.
Notfallkredit geplant: Giffey will die Schuldenbremse nutzen
Mit Blick auf die steigenden Belastungen denkt Berlin bereits laut über neue Schulden nach. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) kündigte an, für die Jahre 2026 und 2027 auf die nun vom Bundestag gelockerte Schuldenregel zurückzugreifen.
Konkret erlaubt der neue rechtliche Rahmen den Ländern, jährlich Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des nominalen BIP aufzunehmen – sofern sie einem konkreten Zweck zugeordnet sind.
Giffey spricht offen von einem „Notfallkredit für Geflüchtetenkosten“. Intern rechnet der Berliner Senat damit, dass sich auch in den Folgejahren keine deutliche Entlastung einstellen wird. Im Gegenteil: Da ein Teil der Ausgaben als sogenannte Dauerlasten gilt – etwa für Mietverträge, Betreuung oder Sozialtransfers – steigen die strukturellen Fixkosten weiter.
Einordnung: Haushalt unter Druck, Debatte mit Sprengkraft
Was die Zahlen zeigen, ist nicht nur eine haushaltspolitische Herausforderung, sondern ein politischer Drahtseilakt. Die Ausgaben für Asyl- und Migrationspolitik sind real, konstant wachsend und schwer planbar. Gleichzeitig ist die öffentliche Debatte stark emotionalisiert – oft geprägt von unvollständigen Vergleichen, ideologischen Positionen und populistischen Verkürzungen.
Was bislang fehlte, war eine transparente, nüchterne und vollständige Darstellung der tatsächlichen Kosten. Die Berliner Aufstellung ist ein Schritt in diese Richtung – auch wenn viele Nebenkosten, etwa für Justiz, Verwaltung, Polizei oder medizinische Versorgung, nicht explizit ausgewiesen sind.
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