enn der Glasfaseranschluss zum Störfall wird
Ein Schild im Hausflur, weißes Papier, schwarze Lettern: „Vertretern der Deutschen Telekom und ihrer Partnerfirmen ist das Betreten dieses Gebäudes untersagt.“ Unterschrieben: Deutsche Wohnen.
Was aussieht wie ein kleiner Nachbarschaftskonflikt, ist in Wirklichkeit ein handfester Streit zwischen zwei DAX-nahen Konzernen – mit direktem Einfluss auf rund 130.000 Mieter.
Hintergrund ist ein Verkaufsstopp: Vertreter der Deutschen Telekom dürfen zahlreiche Gebäude der Deutsche Wohnen nicht mehr betreten. Der Grund: Beschwerden über aggressives Haustürgeschäft, insbesondere im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Glasfaseranschlüssen.
130.000 Wohnungen – ein klarer Schnitt
Betroffen sind unter anderem Wohnkomplexe in Berlin, Dresden und Magdeburg – Städte, in denen Deutsche Wohnen eine große Zahl an Beständen hält. Der Wohnungskonzern, der seit 2021 zum Immobilienriesen Vonovia gehört, spricht von einer Schutzmaßnahme für seine Mieter.
Die Beschwerden hätten sich gehäuft, es habe Hinweise auf Falschaussagen gegeben, etwa zur Verfügbarkeit oder Notwendigkeit eines Anschlusses.
„Wir wollen unsere Mieterinnen und Mieter in unseren Wohnquartieren bestmöglich schützen“, heißt es von einem Unternehmenssprecher.
Die Formulierung ist nüchtern, aber die Maßnahme ist deutlich: ein generelles Hausverbot für Telekom-Vertreter in einem der größten privaten Wohnungsportfolios Deutschlands.
Vertrieb unter Druck
Die Vorwürfe betreffen nicht nur die Telekom selbst, sondern insbesondere ihre Vertriebspartner – allen voran die Firma Ranger, ein Dienstleister, der sich auf Haustürgeschäft spezialisiert hat. Die Telekom hat mittlerweile eingeräumt, dass es zu Verstößen kam.
„Dort, wo unser Vertriebspartner Ranger nicht regelkonform gearbeitet hat, ist das Haustürgeschäft auch temporär ausgesetzt“, erklärt eine Unternehmenssprecherin.
Gleichzeitig betont die Telekom, man teile den Anspruch auf einen respektvollen, transparenten Vertrieb – und verweist auf den sogenannten Haustürkodex.
Der Vorfall zeigt aber auch, wie fragil der Vertrauensvorschuss ist, den Telekommunikationsunternehmen beim Thema Glasfaserausbau genießen. Denn was als Fortschritt verkauft wird, fühlt sich an der Haustür schnell wie Druck an.

Kundenkontakt als Risikozone
Das Haustürgeschäft ist für Telekommunikationsanbieter ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ermöglicht es den direkten Kontakt – besonders in Wohngegenden, in denen andere Kommunikationswege oft nicht fruchten.
Andererseits ist es ein Minenfeld für das Markenimage: Ein schlecht geschulter Außendienstler kann in wenigen Sekunden mehr Schaden anrichten als eine ganze Werbekampagne wettmachen kann.
Die Telekom gerät nun in die Defensive – ausgerechnet in einer Phase, in der der Glasfaserausbau dringend Fahrt aufnehmen soll. Dass ein Großvermieter wie Deutsche Wohnen die Reißleine zieht, ist auch ein Warnsignal an die Branche.
Glasfaser mit Nebenwirkungen
Der Fall wirft grundsätzliche Fragen auf: Wie lassen sich notwendige Infrastrukturausbauten mit dem Schutz der Privatsphäre in Einklang bringen? Wer trägt Verantwortung, wenn externe Vertriebspartner Regeln brechen? Und: Wie viel Kontrolle hat ein Konzern wie die Telekom eigentlich über das Verhalten der eigenen Vertreter?
Die Antwort darauf bleibt unbefriedigend. Zwar betonen beide Seiten, dass man weiterhin in Gesprächen sei. Doch das Hausverbot gilt – und es zeigt Wirkung: Seit dem Aushang habe es keine neuen Beschwerden mehr gegeben, teilt Deutsche Wohnen mit.
Für viele Mieter mag das eine Erleichterung sein. Für die Telekom ist es ein Rückschlag – organisatorisch wie kommunikativ. Denn jede verpasste Haustür ist auch ein verpasster Anschluss.
Zwischen Regulierung und Reputationsschaden
Dass ausgerechnet der größte deutsche Wohnkonzern ein solches Signal sendet, ist kein Zufall. Nach Jahren der Debatte um Mietpreise, Nebenkosten und energetische Sanierungen ist Verbraucherschutz zum Reputationsfaktor geworden. Wer den Eindruck vermittelt, seine Mieter im Stich zu lassen, verliert Vertrauen – das gilt für Vermieter wie für Versorger.
Ein Hausverbot ist keine kleine Maßnahme. Es bedeutet: Strukturbruch im Vertriebsmodell, kurzfristig weniger Abschlüsse, langfristig weniger Wachstum. Und es wirft eine Grundsatzfrage auf, die in der Telekommunikation selten gestellt wird: Was wiegt schwerer – der Netzausbau oder die soziale Akzeptanz vor Ort?