Es war eine einfache WhatsApp-Nachricht, die Lars G., ein Mitarbeiter der Bahn-Tochter DB Bahnbau, im Dezember 2021 an einen Bauunternehmer schickte: „Ich such so ein Google 6 pro.“
Doch was zunächst wie eine freundschaftliche Bitte wirkte, offenbart nach und nach ein komplexes System aus Gefälligkeiten, mutmaßlich überhöhten Rechnungen und einer Auftragsvergabe, die offenbar nicht immer nach den höchsten Standards ablief.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt mittlerweile wegen Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gegen mehrere Beschäftigte des Unternehmens – und zieht damit erneut einen Schleier über die milliardenschweren Investitionspläne der Deutschen Bahn.
Ein System aus Gefälligkeiten
Die Ermittlungen konzentrieren sich auf den Austausch zwischen Lars G. und Ferhat B., dem Gründer des Bauunternehmens AREL Bau. Im Fokus stehen dabei nicht nur bestellte Smartphones und Kaffeemaschinen, sondern auch deutlich schwerwiegendere Vorwürfe: überhöhte Rechnungen, manipulierte Bedarfsmeldungen und fragwürdige Aufträge.
Laut Unterlagen, die der Frankfurter Staatsanwaltschaft vorliegen, hatte Lars G. „unmittelbaren Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen“. In internen Nachrichten war von „3 Baggern“ die Rede, die faktisch nie benötigt wurden.
Warum die Bahn besonders anfällig ist
Mit einer geplanten Investitionssumme von 16,4 Milliarden Euro für das Jahr 2024 zählt die Deutsche Bahn zu den größten Auftraggebern im deutschen Baugewerbe. Der Fokus auf große Projekte wie den Ausbau maroder Gleisanlagen und Bahnhöfe lockt jedoch nicht nur seriöse Anbieter, sondern auch Akteure an, die in der Komplexität des Systems Schlupflöcher finden.
Laut interner Zahlen erzielte AREL Bau mehr als 80 Prozent seines Umsatzes mit Aufträgen von Bahn-Töchtern, darunter rund sechs Millionen Euro allein in den Jahren 2020 und 2021. Der Verdacht: Ohne die erwähnten „Zuwendungen“ hätte die Firma womöglich nie Zugang zu diesen Aufträgen erhalten.
Ein Compliance-Problem?
Die Bahn betont, dass sie gegen jede Form von Korruption vorgeht. „Anreize, Privilegien oder andere Vorteile, die die Fähigkeit beeinträchtigen, objektive Entscheidungen zu treffen, dulden wir nicht“, erklärte eine Sprecherin des Konzerns. Zudem betonte sie, dass der Vorfall sowohl intern als auch von den Behörden untersucht werde.
Doch die Realität sieht anders aus: Bereits in der Vergangenheit geriet die Bahn bei Projekten wie „Stuttgart 21“ wegen mutmaßlicher Korruption in die Schlagzeilen. Trotz regelmäßiger Compliance-Schulungen und interner Kontrollen bleibt das System anfällig – insbesondere, weil viele Aufträge über Tochtergesellschaften wie DB Bahnbau laufen, die eigenständige Vergaberechte besitzen.
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Die Dimensionen des Falls
Im aktuellen Fall geht es jedoch nicht nur um Lars G., sondern auch um seinen Kollegen Thomas W. Auch er steht unter Verdacht, gegen Compliance-Regeln verstoßen zu haben. Interne Chats legen nahe, dass er wiederholt versuchte, Spuren zu verwischen. In einer Nachricht heißt es: „Am Telefon schon zu viel gesagt.“
Diese Beispiele werfen ein Schlaglicht auf die strukturellen Schwächen des Konzerns. Während das Management in Berlin versucht, ein neues Bild von Effizienz und Transparenz zu vermitteln, zeigen die Ermittlungen eine andere Realität: Ein Unternehmen, dessen gewaltige Größe und komplexe Struktur immer wieder Schlupflöcher für unlautere Praktiken bietet.
Was bleibt, ist ein beschädigtes Vertrauen
Auch wenn die Dimensionen des Falls im Vergleich zu früheren Korruptionsskandalen überschaubar erscheinen mögen, bleibt ein bitterer Nachgeschmack.
Für die Beschuldigten gilt bis zur endgültigen Klärung die Unschuldsvermutung. Doch der Fall zeigt: Ohne umfassende Reformen und schärfere Kontrollmechanismen könnte dies nicht der letzte Korruptionsskandal der Deutschen Bahn bleiben.