Es ist ein Meilenstein für die deutsche Anlegerkultur: Das Wertpapiervermögen der Bundesbürger nähert sich der magischen Marke von zwei Billionen Euro. Noch vor zehn Jahren galten die Deutschen als Aktienmuffel, heute sehen wir eine andere Realität. Wer sein Geld nur auf dem Sparbuch lässt, hat in Zeiten niedriger Zinsen nichts zu gewinnen. Also ab an die Börse? Genau das tun immer mehr Menschen.
Bereits zur Jahresmitte 2024 belief sich das Wertpapiervermögen der privaten Haushalte auf satte 1,83 Billionen Euro – Tendenz steigend. Kapitalmarktexperte Jens Chrzanowski von XTB ist sich sicher:
„Noch vor Ende des Jahres könnte die Zwei-Billionen-Marke geknackt werden.“ Dieser Wandel sei erstaunlich: „Vor zehn Jahren lagen wir bei 840 Milliarden Euro. Die Deutschen entdecken endlich die Börse.“
US-Technologiewerte bleiben Favoriten
Ein Blick auf die Portfolios zeigt: Deutsche Anleger setzen auf bewährte Größen. Besonders amerikanische Technologiegiganten dominieren. Nvidia, Microsoft, Amazon und Apple gehören zu den absoluten Favoriten, wie eine Umfrage bei führenden Banken und Online-Brokern ergab. Das Vertrauen in diese „Blue-Chips“ ist hoch, denn sie gelten als Innovationsführer und langfristige Wachstumsbringer.
„Die Technologiewerte sind ein sicherer Hafen für Anleger, die von der Digitalisierung und dem Megatrend Künstliche Intelligenz profitieren wollen“, so Chrzanowski.
Und es sind nicht nur US-Titel, die im Fokus stehen: Auch Rheinmetall und Volkswagen, zwei DAX-Schwergewichte, waren in den letzten Monaten besonders gefragt. Rheinmetall hat durch die geopolitischen Spannungen und die wachsenden Verteidigungsausgaben starken Rückenwind erhalten.
Bankaktien feiern Comeback
Eine Überraschung in diesem Jahr ist das Comeback der Bankaktien. Lange Zeit gemieden, erleben Titel wie die Commerzbank und die Deutsche Bank eine Renaissance. Die angekündigte Übernahme der Commerzbank durch die italienische Unicredit hat den Markt bewegt.
Beide Titel gehören zu den großen Gewinnern im DAX 2024 mit beeindruckenden Kursgewinnen von 58 Prozent für die Commerzbank und 32 Prozent für die Deutsche Bank.
„Es zeigt sich, dass Anleger wieder Vertrauen in den Bankensektor fassen“, sagt Chrzanowski.
Nach schwierigen Jahren mit Skandalen und schwachen Margen kehrt das Vertrauen zurück, und die Aussicht auf steigende Zinsen hilft den Banken, ihre Gewinne zu stabilisieren.
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ETFs – die wahren Sieger
Doch während Einzelaktien nach wie vor eine Rolle spielen, sind es vor allem ETFs, die das Anlageverhalten der Deutschen revolutioniert haben. Seit dem Jahr 2013 hat der Anteil von Fonds am Wertpapiervermögen deutlich zugenommen – von 49,6 Prozent auf nunmehr 57,2 Prozent.
ETFs, die börsengehandelten Indexfonds, werden besonders wegen ihrer geringen Kosten und der breiten Streuung geschätzt.
„ETFs sind das Investmentprodukt der Stunde“, erklärt Chrzanowski. „Sie bieten Zugang zu den globalen Märkten, ohne das Risiko, das mit der Auswahl einzelner Aktien einhergeht.“
Beliebt sind vor allem Klassiker wie der MSCI World, der die Aktien von über 1.400 Unternehmen aus 23 Industrieländern abbildet. Anleger, die hier investiert haben, konnten ihr Vermögen in den letzten zehn Jahren fast vervierfachen.
Neben den breiten Indizes gewinnen auch Themen-ETFs an Bedeutung. ETFs, die auf Künstliche Intelligenz oder Big Data setzen, stoßen auf wachsendes Interesse. Der Xtrackers Artificial Intelligence & Big Data ETF etwa enthält Aktien von Meta, Apple und Oracle und ermöglicht Anlegern, auf technologische Zukunftstrends zu setzen.
Anleihen und Geldmarkt-ETFs: Sichere Häfen bleiben gefragt
Obwohl Aktien und Fonds dominieren, haben auch Anleihen in diesem Jahr wieder an Bedeutung gewonnen. Steigende Zinsen haben festverzinsliche Wertpapiere wieder attraktiver gemacht, auch wenn ihr Anteil am Vermögen der Deutschen von einst 22,3 Prozent auf heute 11,7 Prozent gesunken ist.
„Anleger nutzen Anleihen und Geldmarkt-ETFs, um in unsicheren Zeiten Geld zu parken und dennoch eine ordentliche Rendite zu erzielen“, erklärt Chrzanowski.
Produkte wie der Amundi EUR Overnight Return ETF bieten Anlegern eine Alternative zu Festgeld, bei Renditen von rund vier Prozent. „Sicherheitsorientierte Anleger haben hier eine Option, ihr Geld flexibel anzulegen, ohne auf Rendite verzichten zu müssen“, fügt Chrzanowski hinzu.
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Die Zukunft gehört den ETFs
Mit Blick auf die kommenden Jahre scheint klar: ETFs werden eine immer größere Rolle im deutschen Anlageverhalten spielen. „Sollten die Zinsen wieder fallen, was durchaus möglich ist, könnte das Interesse an Aktien-Indexfonds noch weiter zunehmen“, prognostiziert Chrzanowski.
Besonders ETF-Sparpläne haben in den letzten Jahren an Popularität gewonnen, vor allem bei jungen Anlegern, die langfristig vorsorgen möchten.
„ETFs sind einfach zu handhaben und bieten eine gute Streuung. Es ist kein Wunder, dass immer mehr Deutsche auf diese Form der Geldanlage setzen“, so Robert-Martin Welle von der DKB. „Vor allem in Zeiten unsicherer Zinsen bieten sie eine attraktive Alternative.“