19. April, 2025

Global

Chinas Preisproblem eskaliert – Trumps Zölle treiben die Deflation an

Produzentenpreise in China sinken seit 30 Monaten. Der verschärfte Zollstreit mit den USA beschleunigt diesen Trend – mit Folgen für globale Lieferketten, Gewinne und die Stabilität der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.

Chinas Preisproblem eskaliert – Trumps Zölle treiben die Deflation an
Produzentenpreise in China im freien Fall: Im März 2025 erneut –2,5 % – seit über 30 Monaten kennt der Preisindex nur eine Richtung: abwärts.

30 Monate Preisverfall – und kein Ende in Sicht

Die chinesischen Produzentenpreise fallen – seit zweieinhalb Jahren ohne Unterbrechung. Im März 2025 lag das Minus bei 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Auch die Verbraucherpreise gaben leicht nach (–0,1 %). Was auf den ersten Blick wie ein Segen für Konsumenten wirkt, ist in Wahrheit ein Alarmsignal für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt.

Denn Deflation wirkt wie eine wirtschaftliche Bremse: Unternehmen halten Investitionen zurück, Konsumenten verschieben Käufe – in der Hoffnung auf noch niedrigere Preise. Für eine auf Export getrimmte Wirtschaft wie die chinesische ist das besonders gefährlich. Und jetzt droht durch neue US-Zölle zusätzlicher Druck.

US-Zölle von 125 Prozent – ein Markt bricht weg

Seit Mittwoch ist es offiziell: US-Präsident Donald Trump verhängt Importzölle von 125 Prozent auf eine breite Palette chinesischer Waren. Chinas Antwort ließ nicht lange auf sich warten – Gegenzölle von bis zu 84 Prozent auf US-Importe, ebenfalls mit Wirkung ab Donnerstagmittag. Ein wirtschaftlicher Schlagabtausch mit offenem Ausgang – aber klaren Verlierern.

Für viele chinesische Produzenten, deren Margen im Bereich von 30 bis 37 Prozent liegen, etwa bei Spielzeug, Smartphones oder Kleidung, bedeutet der Zollaufschlag: Der Export in die USA lohnt sich schlicht nicht mehr. Der wichtigste Absatzmarkt ist de facto weggebrochen.

Ein Drittel aller weltweit produzierten Waren stammt aus China – aber nur 13 % der globalen Nachfrage entfallen auf das Land selbst.

Überkapazitäten als strukturelles Problem

Chinas Industrie leidet nicht erst seit gestern unter Überproduktion. Gefördert durch staatliche Industriepolitik und günstige Finanzierung, übersteigt das Angebot die Nachfrage seit Jahren.

Die Inlandsnachfrage bleibt nach Corona schwach, der Export war bisher das Ventil. Doch mit dem Wegfall des US-Markts wächst der Druck – sowohl auf Preise als auch auf Gewinne.

Lynn Song, China-Chefvolkswirt der ING, warnt im Gespräch mit InvestmentWeek:

„Die Zölle verschärfen das Problem der Überkapazitäten und zwingen die Hersteller, ihre Produkte zu noch niedrigeren Preisen anzubieten. Damit wird der Preisverfall weitergehen.“

Industriegewinne auf Talfahrt – und kein Boden in Sicht

Seit mehr als drei Jahren sinken die Gewinne der chinesischen Industrie. Ein ruinöser Preiskampf dominiert viele Branchen. Selbst auf dem Heimatmarkt können viele Unternehmen kaum noch kostendeckend produzieren – zu hoch sind Lagerbestände, zu gering die Nachfrage. Die nun einsetzende Exportschwemme in andere Weltregionen könnte das Problem globalisieren.

Daten der Vereinten Nationen machen das Ausmaß deutlich: Rund ein Drittel aller weltweit produzierten Waren kommt aus China. Gleichzeitig entfallen nur 13 Prozent der globalen Endnachfrage auf das Reich der Mitte. Eine strukturelle Schieflage, die durch den Handelskonflikt noch offensichtlicher wird.

Kurzfristiger Exportboom – langfristiger Absturz

Interessanterweise zeigen die aktuellen Exportzahlen für das vergangene Jahr noch ein ganz anderes Bild: Mit fast 252 Milliarden US-Dollar erreichten Chinas Exporte in die USA ein Rekordniveau.

Grund dafür: Amerikanische Händler hatten im Vorfeld der Zollerhöhung ihre Lager gefüllt. Doch dieser Sondereffekt ist verpufft – und dürfte zu einem umso stärkeren Einbruch in den kommenden Quartalen führen.

Mehrere chinesische Unternehmen haben laut lokalen Medienberichten bereits ihre Ausfuhren in die USA eingestellt. Zu unsicher ist die Lage, zu hoch die Zölle, zu groß das Risiko.

Zölle mit Nebenwirkungen – auch für Lebensmittel

Ein möglicher Nebeneffekt der Gegenzölle trifft einen sensiblen Bereich: den Lebensmittelmarkt. China hat als Antwort auf die US-Maßnahmen auch Zölle auf Agrarimporte wie Sojabohnen verhängt. Diese sind das wichtigste Futtermittel in der Schweinefleischproduktion – und Schweinefleisch ist Grundnahrungsmittel in China.

Der Preis dafür stieg im März bereits um 6,7 Prozent. Ein weiterer Anstieg könnte sozialen Druck erzeugen – ein Faktor, den Pekings Führung genau beobachtet. Denn während Industriepreise fallen, steigen ausgerechnet dort die Kosten, wo sie die Bevölkerung direkt betreffen.

Ein Wachstumsziel, das nicht mehr zu halten ist

Peking hält offiziell an seinem Wachstumsziel von fünf Prozent für 2025 fest. Doch das wird zunehmend unrealistisch. Experten warnen, dass ein anhaltender Handelskonflikt das Wachstum halbieren könnte. Schon jetzt mehren sich Zweifel an den offiziellen Zahlen. Die wirtschaftliche Lage ist deutlich angespannter, als es die politische Rhetorik vermuten lässt.

Und das größere Risiko liegt weniger in kurzfristigen Rückgängen als in der Kombination aus Deflation, Überkapazitäten und geopolitischer Isolation. Sollte sich das Szenario weiter zuspitzen, ist China nicht nur mit einem ökonomischen Problem konfrontiert – sondern mit einem systemischen.

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