Eine Spitze ohne Chef
Zwei Jahre nach dem angekündigten Abschied von Hasso Plattner hat SAP endlich eine Antwort auf die Nachfolgefrage gefunden – zumindest auf dem Papier. René Obermann, Ex-Telekom-Chef und aktueller Aufsichtsratsvorsitzender von Airbus, soll 2027 den Vorsitz des Kontrollgremiums übernehmen. Das klingt nach Klarheit – ist aber vor allem eines: ein Kompromiss mit Verzögerung.
Wunschkandidat mit Nebenjob
Dass Obermann erst in zwei Jahren übernimmt, hat einen einfachen Grund: Sein Airbus-Mandat läuft noch bis 2027. Und dort sitzt er nicht irgendwo, sondern an zentraler Stelle – mitten in einem Rüstungskonzern, der aktuell eine Schlüsselrolle in der europäischen Sicherheitspolitik spielt.
Seine Doppelfunktion als oberster Kontrolleur sowohl eines Software-Riesen als auch eines der größten Militärzulieferer Europas dürfte Beobachter und Investoren noch beschäftigen.
Denn die Frage, ob sich das politische und wirtschaftliche Gewicht dieser beiden Rollen vereinbaren lässt, stellt sich schon heute.
Die lange Suche nach einem, der passt – und bleibt
SAP hatte es in den letzten Jahren nicht leicht mit der Besetzung seines Aufsichtsrats. Der langjährige Chefkontrolleur Hasso Plattner hatte früh seinen Rückzug angekündigt – doch der Wechsel wurde zum Dauerthema.
Wunschkandidat Punit Renjen, Ex-Chef von Deloitte, kam 2023, ging 2024 – und zwar schneller, als sich der Konzern es leisten konnte. Der Grund: Renjen mischte sich offenbar zu stark ins operative Geschäft ein – ein No-Go für das Kontrollgremium.
Plötzlich musste es schnell gehen. Pekka Ala-Pietilä, ehemaliger Nokia-Chef und erfahrener SAP-Aufsichtsrat, übernahm übergangsweise – mit dem klaren Ziel: nicht zu bleiben.
Obermann als Signal – aber auch als Risiko?
Mit René Obermann will SAP nun demonstrieren: Wir haben wieder einen Plan. Der 62-Jährige bringt Erfahrung mit – keine Frage.

Als Telekom-Chef trieb er die Internationalisierung des Konzerns voran, später wechselte er in den Finanzsektor. Inzwischen ist er in der Industriepolitik angekommen: Als Airbus-Kontrollratschef bewegt er sich regelmäßig an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Staat und Verteidigung.
Doch genau das könnte für SAP zum Problem werden. Die Softwarebranche ist schnell, global, digital. Sie braucht einen Aufsichtsratschef, der strategisch denkt – und gleichzeitig nicht zu weit vom Tagesgeschäft entfernt ist. Obermann ist vieles – aber kein Softwaremann. Seine Nähe zur Politik wird ihm helfen, SAPs Interessen in Berlin oder Brüssel zu vertreten. Aber ob er auch das nötige Gespür für die Produkt- und Plattformstrategie mitbringt, ist offen.
Aktionäre müssen Geduld mitbringen
Bis Obermann tatsächlich übernimmt, bleibt das Gremium unter Ala-Pietiläs Leitung. Dieser will, wie nun bekannt wurde, seine Amtszeit nochmals um ein Jahr verlängern lassen, um die Übergabe vorzubereiten.
SAP spricht von einer „reibungslosen Übergabe“. Doch die Tatsache, dass eine finale Besetzung erst 2027 geplant ist, dürfte nicht alle Anleger überzeugen.
Ein Weltkonzern ohne klare Führung an der Aufsichtsratsspitze – das ist ein strategisches Vakuum, das SAP eigentlich hinter sich lassen wollte.
SAP braucht mehr als nur ein Gesicht
Die Entscheidung für Obermann zeigt: SAP setzt auf Verlässlichkeit und politische Vernetzung. Aber sie offenbart auch, wie schwer es dem Konzern fällt, eine Führungsstruktur zu etablieren, die wirklich zum heutigen SAP passt: global, cloud-basiert, unter massivem Wettbewerbsdruck durch Microsoft, Salesforce und Oracle.
René Obermann bringt Stabilität – aber wird das reichen?
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