28. November, 2024

Politik

Pistorius sagt Nein: Warum der Verteidigungsminister auf die Kanzlerkandidatur verzichtet hat

Boris Pistorius gilt als Hoffnungsträger der SPD – beliebter als Olaf Scholz und mit breiter Unterstützung aus der Basis. Doch blinde Flecken in seinem Profil und parteiinterne Dynamiken führten zu einem Verzicht, der die Genossen nun spaltet.

Pistorius sagt Nein: Warum der Verteidigungsminister auf die Kanzlerkandidatur verzichtet hat
Trotz starker Umfragewerte bei den SPD-Anhängern zog der Verteidigungsminister zurück – seine Schwächen in Wirtschafts- und Sozialpolitik galten als Risiko.

Ein Kandidat, der nicht kandidiert

Boris Pistorius’ Videobotschaft kam ohne großes Drama, aber mit weitreichenden Konsequenzen. Der Verteidigungsminister verkündete nüchtern seinen Verzicht auf die Kanzlerkandidatur der SPD. Dabei hatten viele in der Partei ihn schon als besseren Kandidaten gesehen, als den amtierenden Kanzler Olaf Scholz, dessen Popularität durch die Schwächen der Ampelkoalition schwer gelitten hat.

Pistorius selbst ließ die Spekulationen laufen, war nicht abgeneigt, aber er forderte nie offen die Parteiführung heraus.

„Er hätte es gemacht, wenn er gerufen worden wäre“, heißt es aus seinem Umfeld.

Doch der Ruf blieb aus. Scholz setzte klar darauf, selbst erneut ins Rennen zu gehen. Eine Kampfkandidatur lehnte Pistorius ab – sie hätte die ohnehin fragile SPD in einen gefährlichen Machtkampf gestürzt.

Beliebt, aber angreifbar

Trotz seiner Popularität und einer Umfrage, die 72 Prozent der SPD-Anhänger einen Vorteil mit Pistorius an der Spitze attestierte, war der Minister nicht ohne Schwächen.

Seine Stärken bei Sicherheits- und Verteidigungsthemen, die ihn zu einem der präsentesten Minister der Scholz-Regierung gemacht haben, gleichen seine Defizite in Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht aus. „Er ist bei den falschen Themen stark“, formulierte es ein Genosse trocken.

Im kommenden Wahlkampf wird die ökonomische Ausrichtung der Parteien ein Schlüsselthema. Scholz, trotz aller Kritik, ist hier die erfahrenere und sicherere Option. Pistorius hätte es schwer gehabt, gegen die Union und ihren Fokus auf marktorientierte Reformen und Arbeitsanreize zu bestehen.

Seine Beliebtheit könnte schnell verflogen sein, wenn er im Wahlkampf „zerlegt“ worden wäre, wie es selbst Unterstützer hinter vorgehaltener Hand einräumen.

Ohne den klaren Ruf der Parteispitze entschied sich Pistorius gegen eine Kampfkandidatur – eine Entscheidung, die die SPD jetzt spaltet.

Ein schwerer Schlag für die SPD

Pistorius’ Verzicht lässt die SPD in einer schwierigen Lage zurück. Die Jusos, traditionell ein Gradmesser für die Stimmung an der Basis, griffen die Parteiführung scharf an. „Was war das eigentlich für eine Shit-Show?“ fragte Juso-Chef Philipp Türmer unter tosendem Applaus beim Bundeskongress.

Kritik an Saskia Esken und Lars Klingbeil, den Parteivorsitzenden, wurde laut. Ihnen wird vorgeworfen, die Kandidatendebatte schlecht moderiert und ohne klaren Plan geführt zu haben.

In einigen Landesverbänden herrscht Frustration. Es wird von Mitgliedern berichtet, die keine Wahlplakate mit Scholz’ Gesicht aufhängen wollen – manche zweifeln sogar daran, ob sie die SPD noch wählen sollen. Ein hochrangiger Sozialdemokrat aus dem Osten sprach von einer „desaströsen Ausgangslage“. Die SPD kämpft mit internen Gräben, bevor der Wahlkampf überhaupt begonnen hat.

Ein Verzicht mit Folgen

Am Montag will der Parteivorstand Scholz offiziell zum Spitzenkandidaten küren. Doch die Diskussionen um Pistorius und seine Entscheidung werden die Partei noch lange beschäftigen. Sein Verzicht zeigt nicht nur die Zerrissenheit innerhalb der SPD, sondern auch die Unfähigkeit der Parteiführung, klare Perspektiven und einen einheitlichen Kurs zu vermitteln.

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