Bereits seit 2021 bereitete die Bundesregierung den schrittweisen Ausstieg aus ihrer Beteiligung an der Commerzbank vor. Doch was als gut durchdachter Prozess begann, endete kürzlich in einem Privatisierungsdesaster.
Am Ende dieser jahrelangen Planung stand Unicredit als ungewollter Hauptaktionär – eine Entwicklung, die zahlreiche Fragen aufwirft und für Unmut sorgt.
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Laut einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums, das dem Handelsblatt vorliegt, wurde schon im Dezember 2021 ein Vertrag mit der Investmentbank JP Morgan geschlossen. Diese sollte den Bund in Bezug auf seine Commerzbank-Anteile beraten.
Wenige Monate nach Amtsantritt von Finanzminister Christian Lindner konkretisierten sich die Pläne: Der Verkauf von Anteilen wurde zunehmend als ernsthafte Option in Betracht gezogen.
Verkaufsprozess entglitten
Obwohl die Commerzbank selbst auf einem soliden Weg war, wurde im vergangenen Sommer ein Verkaufsprozess gestartet, der, wie CDU-Finanzpolitiker Matthias Hauer scharf kritisiert, „der Bundesregierung völlig entglitten ist.“
Hauer bemängelt vor allem, dass anstatt einer breit gestreuten Streuung der Aktien nun ein einziger strategischer Investor – Unicredit – zum Zuge kam. Dabei sei das ursprüngliche Ziel des Verkaufsprozesses eindeutig die Verteilung auf mehrere institutionelle Investoren gewesen.
Der eigentliche Verkauf, der vor einem Monat stattfand, hatte unerwartete Wendungen. Zwar wurden zunächst 4,5 Prozent der Aktien veräußert, doch als Unicredit – bereits vorher mit einem großen Anteil am Markt vertreten – seine Beteiligung auf insgesamt 9 Prozent aufstockte, wurde die Bank plötzlich zum Übernahmekandidaten. Dies löste umgehend Besorgnis bei der Commerzbank-Führung aus.
Interessenkonflikte am Verkaufstag
Wie problematisch der Verkaufsprozess verlief, zeigt sich auch am Tag der Transaktion selbst. Als „Bookrunner“ für die Abwicklung der Transaktion wurde ursprünglich neben JP Morgan auch Goldman Sachs beauftragt.
Doch am Abend des 10. September meldete Goldman Sachs einen Interessenkonflikt – nicht ungewöhnlich, da die Investmentbank bereits seit Jahren die Commerzbank in strategischen Fragen berät, unter anderem in Bezug auf Abwehrmaßnahmen gegen eine mögliche Übernahme.
Kurz nach Mitternacht am 11. September zog sich Goldman Sachs schließlich aus dem Verkaufsprozess zurück, was JP Morgan zwang, die Transaktion allein durchzuführen.
Warnung vor Übernahme durch Unicredit
Nicht nur in der Politik, auch innerhalb der Commerzbank wächst die Sorge. Vorstandschefin Manuela Better warnte öffentlich vor einer Übernahme durch Unicredit und betonte, dass ein solcher Schritt zu einem Verlust von Kunden führen könnte.
„Wir würden Kunden verlieren, wenn wir zu stark mit Unicredit verflochten wären“, sagte sie in einem Interview.
Der Unmut über den unglücklich verlaufenen Verkaufsprozess hat längst die politische Ebene erreicht. CDU-Politiker Hauer fordert umfassende Aufklärung: „Es muss geprüft werden, was die Bundesregierung bereits vorher über das Interesse von Unicredit wusste und welche Kommunikation es zwischen Regierung und Unicredit-Vertretern gab.“ Auch die genauen Abläufe des Verkaufsprozesses am 10. und 11. September stehen im Fokus der Kritik.
Bundesregierung in der Defensive
Das Bundesfinanzministerium hat bereits signalisiert, dass es vorerst keine weiteren Commerzbank-Aktien verkaufen werde – offenbar ein klares Signal an Unicredit und andere potenzielle Käufer, dass man keine Übernahme der zweitgrößten Privatbank Deutschlands anstrebt. Doch ob diese Ankündigung ausreicht, um die Wogen zu glätten, bleibt fraglich.
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