Der Schock sitzt tief: Stellantis hat seine Gewinnprognose für 2024 drastisch nach unten korrigiert. Statt zweistelliger Renditen, die der französisch-italienische Autobauer in den vergangenen Jahren eingefahren hat, rechnet das Unternehmen jetzt nur noch mit einer operativen Marge von 5,5 bis 7 Prozent.
Das ist ein herber Rückschlag – und einer, der weit über Stellantis hinausgeht. Er zeigt, wie schwer es die europäische Autoindustrie derzeit hat, auf die Herausforderungen der Elektromobilität und die wachsende Konkurrenz aus China zu reagieren.
Nordamerika als Sorgenkind
Besonders betroffen ist das Geschäft in Nordamerika. Hier war Stellantis mit Marken wie Jeep, Chrysler und Dodge lange extrem erfolgreich, besonders im lukrativen Segment der SUVs und Pick-ups.
Doch diese Zeiten sind vorbei. Der Konzern kündigte an, die Fahrzeugbestände in den Händlernetzen um 200.000 Einheiten zu reduzieren. Um die verbliebenen Autos schneller loszuwerden, setzt Stellantis auf Kaufanreize – ein deutliches Zeichen dafür, dass das Geschäft in den USA ins Stocken geraten ist.
Die Aktie reagierte prompt: Ein Kursrutsch von acht Prozent in Paris verdeutlicht, wie enttäuscht die Investoren sind. Denn Stellantis galt bislang als einer der profitabelsten Autobauer in Europa, nicht zuletzt dank der harten Kostendisziplin von Konzernchef Carlos Tavares.
Konkurrenz aus China wächst
Doch das wahre Problem sitzt tiefer. Die Konkurrenz aus China im Bereich der Elektroautos wächst rasant. Europäische Hersteller, darunter auch Stellantis, haben Schwierigkeiten, mit den günstigen und technisch fortschrittlichen Modellen aus Fernost mitzuhalten. Während chinesische Autobauer Marktanteile gewinnen, hinkt Stellantis bei der Umstellung auf Elektromobilität hinterher.
Zudem belasten hohe Produktionskosten und ein schleppender Absatz den Konzern. Die Fusion von Peugeot-Citroën (PSA) und Fiat-Chrysler (FCA), die Stellantis 2021 hervorbrachte, sollte ursprünglich die Profitabilität steigern. Tatsächlich konnte Tavares den Konzern zunächst auf straffe Effizienz trimmen – mit zweistelligen Margen in den vergangenen Jahren. Doch das „Modell Tavares“ stößt jetzt an seine Grenzen.
Das Ende der üppigen Gewinne
Im vergangenen Jahr konnte Stellantis noch eine operative Marge von 12,8 Prozent vorweisen. Doch diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. Laut einer Mitteilung des Konzerns wird sich der freie Cashflow 2024 zwischen minus fünf und minus zehn Milliarden Euro bewegen – eine massive finanzielle Eintrübung.
Die bisherigen üppigen Ausschüttungen an die Aktionäre dürften ebenfalls erst einmal der Vergangenheit angehören. Analysten hatten zwar mit einer Anpassung der Prognosen gerechnet, doch das Ausmaß des Einbruchs überrascht selbst Brancheninsider. „Das ist ein echter Schock“, meint Michael Foundoukidis, Automarktexperte bei Oddo BHF.
Tavares unter Druck
Für Carlos Tavares, den Mann, der den Konzern lange auf Erfolgskurs hielt, wird die Luft dünner. Kritische Stimmen mehren sich, die fordern, dass der Zentralisierungs- und Kostensenkungskurs gelockert werden müsse.
Auch der Führungsstil von Tavares, der als hart und kompromisslos gilt, steht zunehmend in der Kritik. Zwar läuft sein Vertrag noch bis 2026, doch der Aufsichtsrat hat bereits mit der Suche nach einem möglichen Nachfolger begonnen.
Insbesondere John Elkann, Erbe der Fiat-Dynastie und Aufsichtsratsvorsitzender von Stellantis, soll mit der Entwicklung des US-Geschäfts zunehmend unzufrieden sein. Auch die Verhandlungen mit der US-Autogewerkschaft UAW belasten den Konzern. Die Gewerkschaft hatte zuletzt zum Streik aufgerufen und wirft Tavares vor, Zusagen gegenüber den Beschäftigten nicht einzuhalten.
Wohin steuert Stellantis?
Die massive Gewinnkorrektur stellt die gesamte Zukunft von Stellantis in Frage. Die Konkurrenz aus China drängt auf den europäischen Markt, während die US-Marken des Konzerns nicht mehr die Gewinnbringer sind, die sie einst waren.
Die Herausforderungen in der Elektromobilität erfordern tiefgreifende Investitionen, doch der finanzielle Spielraum des Unternehmens schrumpft. Tavares’ „Zentralisierung und Kostensenkung“-Modell gerät zunehmend ins Wanken – die kommenden Monate werden entscheidend sein, ob Stellantis den Turnaround schafft.
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