Dänemark, oft als Vorbild für soziale Sicherungssysteme gefeiert, sieht sich mit einer unbequemen Wahrheit konfrontiert: Mehr als die Hälfte der Migranten aus nicht-westlichen Ländern im Alter von 50 bis 67 Jahren bezieht vorzeitig Rente.
Damit erreicht die Diskussion um die Integration von Zugewanderten einen neuen Höhepunkt – und stellt die Politik vor komplexe Herausforderungen.
Zahlen, die zum Nachdenken anregen
Laut einer Analyse des Dänischen Arbeitgeberverbands (DA) sind es vor allem Migranten aus Afghanistan, dem Irak und den Nachfolgestaaten Jugoslawiens, die überproportional häufig in den vorzeitigen Ruhestand gehen.
Während der Anteil unter einheimischen Dänen nur bei elf Prozent liegt, überschreiten diese Gruppen die 50-Prozent-Marke deutlich.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Der Arbeitgeberverband verweist auf körperlich belastende Tätigkeiten, die viele Migranten ausüben, sowie gesundheitliche Langzeitfolgen von Fluchterfahrungen.
Doch Arbeitsmarktdirektor Erik Simonsen betont, dass diese Faktoren allein den gravierenden Unterschied nicht erklären können. Er fordert eine strengere Regulierung des Renteneintritts und bessere Programme zur Wiedereingliederung gesundheitlich eingeschränkter Menschen in den Arbeitsmarkt.
Dänemark und Deutschland: Ein Vergleich
Der Blick nach Deutschland zeigt ein differenziertes Bild. Zwar beziehen hier nur 13 Prozent der 50- bis 65-jährigen Bevölkerung gesetzliche Rente – mit einem vergleichsweise niedrigen Anteil von elf Prozent bei Migranten.
Doch auch in Deutschland gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen. Während 20 Prozent der in Deutschland lebenden Türken in diesem Alter vorzeitig in Rente gehen, liegen die Werte für Iraker, Afghanen und Kosovaren deutlich niedriger.
Ein zentraler Unterschied zwischen den Systemen: In Dänemark ist Frührente leichter zugänglich, da keine langen Beitragszeiten erforderlich sind. In Deutschland hingegen sind mindestens fünf Jahre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung Voraussetzung, was die Zahl der Frührentner unter Migranten begrenzt.
Integration in der Sackgasse?
Die Zahlen werfen grundsätzliche Fragen auf: Warum scheitert es bei der Integration bestimmter Gruppen in den Arbeitsmarkt? Warum gelingt es nicht, gesundheitlich eingeschränkte Menschen stärker in die Erwerbstätigkeit einzubinden?
Lesen Sie auch:
Kritiker sehen den Fokus auf Fluchterfahrungen und belastende Berufe als zu einseitig. Vielmehr müsse die Frage nach den strukturellen Problemen gestellt werden.
Bildungsdefizite, mangelnde Sprachkenntnisse und eine unzureichende Integration in den ersten Arbeitsmarkt könnten Faktoren sein, die den Weg in die Frührente fördern.
Die politischen Folgen
Für Dänemark hat die Debatte bereits handfeste Konsequenzen. Politiker fordern strengere Zugangskriterien für die Frührente und eine stärkere Ausrichtung auf langfristige Beschäftigungsfähigkeit.
Doch auch andere Länder wie Deutschland müssen sich die Frage stellen, wie ein solches Szenario vermieden werden kann – besonders angesichts des demografischen Wandels.