23. September, 2024

Politik

Österreich vor Richtungsentscheidung: Diversifizierung der Energiequellen im Fokus

Österreich vor Richtungsentscheidung: Diversifizierung der Energiequellen im Fokus

Österreich steht kurz vor einer richtungsweisenden Parlamentswahl, die das Land auf eine kritische Probe stellt. Die neue Regierung wird dem wachsenden Druck ausgesetzt sein, die Energieversorgung vom russischen Gas unabhängiger zu gestalten. Dies geschieht in einer Zeit, in der die Wirtschaft stagniert. Keine Partei kann mit einer absoluten Mehrheit rechnen. Meinungsumfragen zeigen einen knappen Vorsprung der oppositionellen, russlandfreundlichen Freiheitlichen Partei (FPO), deren Ergebnis Einfluss auf die Geschwindigkeit der Energiewende haben könnte. Seit der Invasion der Ukraine durch Russland im Jahr 2022 hat die Europäische Union (EU) ihre Importe von russischem Gas rapide reduziert. Alternativen sind jedoch teurer, was die durch die Pandemie und den Krieg bereits angestiegenen Kosten weiter erhöht. Österreich ist innerhalb der EU besonders stark von russischem Gas abhängig. In den letzten zwei Jahren überstieg die Inflation dort den EU-Durchschnitt, während die Wirtschaft aufgrund des Einbruchs des wichtigsten Handelspartners Deutschland, der ebenfalls mit der Energiewende und Konkurrenz aus China zu kämpfen hat, schrumpfte. "Andere Länder sind unzufrieden damit, dass Österreich weiterhin große Mengen an russischem Gas verbraucht", so Stefan Schiman-Vukan, leitender Ökonom am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung. Der politische Druck, sich davon zu lösen, sei hoch. Die EU hat sich verpflichtet, russisches Gas bis 2027 komplett zu ersetzen. Das Energie-Ministerium, geführt von den Grünen, möchte diesen Prozess beschleunigen. Dennoch bezog Österreich im Juli 2023 noch immer 83 % seines importierten Gases aus Russland, während der EU-Durchschnitt nur noch bei 15 % lag. Die Grünen unternehmen große Anstrengungen, alternative Energiequellen zu erschließen. Auch die konservative Österreichische Volkspartei (OVP) unter Kanzler Karl Nehammer hat sich verpflichtet, die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern. Das Ministerium verweist auf Maßnahmen, die langfristige Unabhängigkeit sichern sollen, darunter Importe aus Norwegen und anderen Ländern. Österreich verfüge über ausreichende Importkapazitäten über Deutschland und Italien, und die eigenen Gasspeicher seien zu mehr als 90 % gefüllt. Die Freiheitliche Partei (FPO) hingegen argumentiert, russisches Gas müsse Teil des Energiemixes bleiben. Meinungsumfragen sehen die FPO bei etwa 27-29 %, wobei der Vorsprung hauchdünn ist. Andere Parteien haben es abgelehnt, unter FPO-Chef Herbert Kickl zu dienen, was Raum für koalitionsfreundlichere und von Russland distanziertere Regierungsoptionen schafft. Aktuell ist es wahrscheinlich, dass die OVP Teil der nächsten Koalitionsregierung sein wird. Die neueste Wirtschaftsprognose der Zentralbank sagt für dieses Jahr eine Schrumpfung um 0,7 % voraus. Dies wäre das zweite Jahr in Folge mit einer Schrumpfung der Wirtschaft. Die Bemühungen um eine Diversifizierung der Energiequellen nehmen Fahrt auf. Wiens größter Energieversorger Wien Energie kündigte diesen Monat an, ab 2025 kein russisches Gas mehr zu nutzen. Doch ein Energieengpass droht, da die Ukraine angekündigt hat, einen auslaufenden Vertrag mit Gazprom nicht zu verlängern, der russisches Gas nach Österreich transportiert. Ein plötzlicher Stopp russischer Lieferungen könnte die Großhandelspreise für Gas um etwa 20 % für zwei bis sechs Monate in die Höhe treiben, so Walter Boltz, ehemaliger Leiter der Regulierungsbehörde E-Control. Doch laut Regierung könnte der Bedarf durch Importe aus Italien und Deutschland sowie bestehende Reserven gedeckt werden. Politiker bemühen sich, die Wirtschaft anzukurbeln. FPO und OVP versprechen Steuersenkungen, während die Sozialdemokraten, die in den Umfragen an dritter Stelle stehen, Vermögens- und Erbschaftssteuern vorschlagen. "Österreich ist ein Paradebeispiel dafür, was passiert, wenn die Inflation zu hoch ist und welche negativen Folgen das nach sich zieht," so Gunter Deuber, Chefökonom der Raiffeisen Bank International. "Wenn man in Bezug auf Kosten und Löhne unattraktiv ist, stoppen die Investitionen und es wird weniger attraktiv, in Österreich zu produzieren."