08. Januar, 2025

Politik

Österreich vor politischer Zeitenwende: Wird Kickl erster FPÖ-Kanzler

Nach dem Scheitern aller Koalitionsverhandlungen steht die Alpenrepublik vor einer historischen Entscheidung. Herbert Kickl und die FPÖ könnten erstmals die Regierungsspitze übernehmen.

Österreich vor politischer Zeitenwende: Wird Kickl erster FPÖ-Kanzler
Nach dem Scheitern aller Koalitionsverhandlungen könnte Österreichs Geschichte umgeschrieben werden: Die FPÖ steht vor der Chance, erstmals den Kanzler zu stellen.

Österreichs Politik steht am Scheideweg: Nach dem Aus der Koalitionsgespräche zwischen der ÖVP und der SPÖ kündigte Kanzler Karl Nehammer seinen Rücktritt an.

Damit steht die Tür weit offen für eine mögliche Regierungsübernahme der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) unter Herbert Kickl. Erstmals in der Geschichte der Republik könnte ein Vertreter der FPÖ das Amt des Bundeskanzlers übernehmen.

Politisches Chaos und gescheiterte Bündnisse

Seit den Parlamentswahlen im September, bei denen die FPÖ mit 29 Prozent der Stimmen stärkste Kraft wurde, scheiterten sämtliche Versuche, eine Regierung ohne die Rechtspartei zu bilden.

Zunächst verließen die liberalen Neos die Dreier-Verhandlungen mit ÖVP und SPÖ, vor allem wegen Differenzen in der Steuer- und Wirtschaftspolitik. Auch die Gespräche zwischen Konservativen und Sozialdemokraten blieben erfolglos.

Eine knappe Mehrheit von nur einer Stimme im Nationalrat hätte dieses Bündnis ohnehin wacklig gemacht.

Bundeskanzler Karl Nehammer gibt auf: Sein Rücktritt ebnet den Weg für eine mögliche Regierungsübernahme der FPÖ unter Herbert Kickl.

Das Ende der Verhandlungen besiegelte schließlich den Rücktritt von Kanzler Karl Nehammer. „Es ist meine Verantwortung, die politische Blockade zu lösen. Ich werde daher in den kommenden Tagen mein Amt niederlegen“, erklärte Nehammer in einer Pressekonferenz am Samstagabend.

Herbert Kickl: Auf dem Weg zur Macht

Herbert Kickl, der Vorsitzende der FPÖ, ließ keine Gelegenheit aus, den politischen Gegner anzugreifen. Auf seiner Facebook-Seite schrieb er:

„Wir haben drei Monate verloren, weil die Verliererparteien versucht haben, uns zu verhindern. Jetzt stehen sie vor den Trümmern ihrer gescheiterten Strategie.“

Der mögliche Weg an die Regierungsspitze scheint für die FPÖ geebnet: Innerhalb der ÖVP wächst die Bereitschaft, mit der FPÖ über eine Koalition zu verhandeln. „Inhaltlich sind wir uns bei Migration und Wirtschaftspolitik ohnehin einig“, sagte ein anonymer ÖVP-Verhandler dem Portal OE24.

Doch auch Neuwahlen bleiben eine Option – eine, die für die FPÖ sogar noch vorteilhafter sein könnte.

Neuwahlen: FPÖ auf Rekordkurs

Sollten sich die Parteien auf keine Koalition einigen können, könnten Neuwahlen die politische Landschaft weiter zugunsten der FPÖ verschieben. Aktuelle Umfragen sehen die Freiheitlichen bei 37 Prozent – ein deutlicher Vorsprung vor der ÖVP mit 21 Prozent und der SPÖ mit 19 Prozent.

„Ein Erdrutschsieg der FPÖ bei Neuwahlen wäre eine klare Absage an die etablierten Parteien“, analysiert ein Wiener Politikwissenschaftler. „Die Wähler wollen Veränderung, und Herbert Kickl verkörpert für viele genau das.“


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Bundespräsident Van der Bellen unter Druck

Eine zentrale Rolle in diesem politischen Drama spielt auch der Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Der 80-jährige Grünen-Politiker hatte bisher gezögert, die FPÖ mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

Dieses Zögern brachte ihm scharfe Kritik von Kickl ein, der Van der Bellen eine „maßgebliche Mitverantwortung für das entstandene Chaos“ vorwarf.

Van der Bellen will sich am Sonntag zu den Entwicklungen äußern. Doch ob seine Haltung gegenüber einer FPÖ-geführten Regierung den Kurs der Ereignisse noch ändern kann, bleibt fraglich.

Europa blickt auf Österreich

Die Möglichkeit einer FPÖ-geführten Regierung sorgt auch international für Aufsehen. Während rechte Parteien in Europa den möglichen Erfolg der FPÖ feiern, warnen Kritiker vor einem weiteren Rechtsruck in der EU.

„Ein FPÖ-Kanzler wäre ein Weckruf für die europäische Politik“, kommentiert ein Analyst aus Brüssel. „Österreich könnte zu einem zentralen Akteur im Lager der nationalkonservativen Kräfte werden, die die EU von innen heraus verändern wollen.“