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OpenAI will Chrome
Im US-Kartellverfahren gegen Google bahnt sich eine spektakuläre Wendung an: OpenAI zeigt Interesse am Kauf des Chrome-Browsers. Es geht um Marktanteile, Datenmacht – und die Kontrolle über die digitale Zukunft.
Im US-Kartellverfahren gegen Google bahnt sich eine spektakuläre Wendung an: OpenAI zeigt Interesse am Kauf des Chrome-Browsers. Es geht um Marktanteile, Datenmacht – und die Kontrolle über die digitale Zukunft.
Noch ist es nur ein Szenario. Aber eines, das die digitale Welt erschüttern könnte: OpenAI, Schöpfer von ChatGPT, hat vor Gericht erklärt, man sei bereit, Googles Chrome-Browser zu übernehmen – falls der Tech-Gigant diesen im Rahmen des laufenden Kartellverfahrens verkaufen muss.
Was wie ein Nebenstrang in einem Juristenprozess klingt, ist in Wahrheit ein dramatischer Machtkampf um die Kontrolle über das Internet der Zukunft.
Denn Chrome ist mehr als nur ein Browser: Er ist Googles Schaltzentrale. Wer Chrome kontrolliert, lenkt jeden Tag Milliarden von Suchanfragen – und mit ihnen das lukrativste Werbesystem der Welt. Genau deshalb steht der Konzern jetzt im Zentrum eines der weitreichendsten Kartellverfahren in der Geschichte der US-Techindustrie.
Im Kern dreht sich der Prozess um die Frage, ob Google mit seinen Praktiken im Bereich der Onlinesuche und Werbung ein illegales Monopol aufgebaut hat. Das US-Justizministerium sieht das so – und fordert drastische Maßnahmen. Neben der Öffnung von Schnittstellen für Wettbewerber steht auch ein möglicher Verkauf von Chrome im Raum.
Der Hintergrund: Chrome ist in vielen Fällen das Einfallstor zur Google-Suche – und damit zur Google-Werbung. Die Staatsanwaltschaft argumentiert, dass genau diese enge Verzahnung zwischen Browser, Suchmaschine und Werbeplattform eine marktbeherrschende Stellung zementiere.
Besonders brisant: Laut Prozessakten hat Google über Jahre exklusive Deals mit Smartphone-Herstellern wie Samsung und Netzbetreibern wie Verizon abgeschlossen, um seine Dienste vorzuinstallieren – inklusive KI-Produkten wie Gemini.
Dass sich nun OpenAI in Position bringt, ist kein Zufall. Der ChatGPT-Entwickler ist längst nicht mehr nur ein Forschungslabor, sondern ein datenhungriges Unternehmen mit kommerziellen Ambitionen.
Der Zugriff auf Browserdaten, Suchanfragen und Nutzerinteraktionen wäre für das Unternehmen ein Boost sondergleichen. Aktuell nutzt ChatGPT Microsofts Bing-Technologie für Websuche – eine Krücke, die das Potenzial der KI limitiert.
Produktchef Nick Turley sagte vor Gericht, man habe Google bereits 2023 um Zugriff auf dessen Such-API gebeten – und sei abgewiesen worden. Jetzt wittert OpenAI die Chance auf mehr: Kontrolle über einen Browser, der täglich Hunderte Millionen Menschen durch das Netz begleitet. In Verbindung mit einer eigenen Suche könnte das die Qualität von ChatGPT in bislang unerreichbare Höhen treiben.
Was sich hier andeutet, ist nichts weniger als ein Systemwechsel. Lange war die Websuche ein Spiel der Algorithmen, PageRanks und Links. Doch in der Welt der generativen KI geht es nicht mehr darum, zehn blaue Links anzuzeigen, sondern um Antworten. Um Kontexte. Um Echtzeitwissen.
OpenAI braucht Zugriff auf aktuelle Informationen, um ChatGPT von einem Sprachmodell zur echten Assistenzinstanz weiterzuentwickeln. Bisher scheitert das an mangelnder eigener Infrastruktur – und an der Abhängigkeit von Microsoft. Ein eigener Browser mit integrierter KI-Suche könnte OpenAI strategisch unabhängiger machen – und zugleich Googles Kerngeschäft frontal angreifen.
Google selbst zeigt sich unnachgiebig. Man will gegen das Urteil Berufung einlegen und betont, man sei auch im KI-Bereich einem intensiven Wettbewerb ausgesetzt – von Meta bis Microsoft. Zugleich hat der Konzern seine Praxis exklusiver Deals bereits gelockert. Partner wie Samsung und Motorola dürfen inzwischen auch andere KI-Systeme vorinstallieren.
Doch das US-Justizministerium will mehr. Keine Zahlungen mehr für bevorzugte Platzierungen, keine verdeckten Marktzugänge. Und womöglich: keine Fusion aus Browser, Suche und Werbung mehr – das Dreigestirn, auf dem Googles Geschäftsmodell seit zwei Jahrzehnten fußt.