Washingtons neuer Kurs: Gas gegen Frieden?
Donald Trump macht, was Donald Trump immer macht: Er überrascht – und verschiebt Grenzen. Dieses Mal geht es nicht um Tweets, Zölle oder Personalwechsel, sondern um Geopolitik. Genauer gesagt: um russisches Gas.
Wie offiziell bestätigt wurde, verhandelt die US-Regierung mit Russland über eine mögliche Inbetriebnahme von Nord Stream 2. Ausgerechnet jene Pipeline, die seit Jahren als Symbol russischer Energieabhängigkeit und geopolitischer Einflussnahme gilt – und die der Westen nach dem Angriff auf die Ukraine kategorisch gestoppt hatte.
Der Zeitpunkt ist brisant. Der Krieg dauert an, die Ukraine kämpft um ihr Territorium – doch Trump denkt offenbar in anderen Bahnen. Nord Stream 2 soll Teil eines größeren „Deals“ sein, möglicherweise verknüpft mit einem Waffenstillstand oder einem neuen Ordnungsrahmen für Osteuropa. Was wie eine strategische Idee klingt, ist bei genauerem Hinsehen: ein politischer Kniefall.
Europa soll spuren – und zahlen
Während Berlin an seiner Ablehnung der Pipeline festhält, erhöhen Moskau und Washington den Druck. Russlands Außenminister Sergej Lawrow forderte öffentlich, die USA sollten ihren „Einfluss in Europa nutzen“, um eine Rückkehr zu russischem Gas zu erzwingen. Dass er damit ausgerechnet Trump adressiert, ist kein Zufall.
Denn der US-Präsident hat wiederholt gezeigt, wie gering er die strategischen Interessen Europas schätzt – und wie bereitwillig er russische Positionen übernimmt.
Ob Krim, Sanktionen oder Schuldfragen am Ukrainekrieg: Trump übernimmt regelmäßig Moskaus Rhetorik. Nun könnte er erstmals auch auf wirtschaftlicher Ebene liefern.

Der Kreml als Profiteur
Die möglichen Folgen dieser Annäherung sind schwerwiegend. Eine Wiederbelebung von Nord Stream 2 käme nicht nur einem geopolitischen Signal gleich, sie würde Russland auch wirtschaftlich massiv entlasten.
Die Einnahmen aus dem Gashandel fehlen dem Kreml seit Jahren – Trumps Kehrtwende würde ihnen neues Leben einhauchen. Zugleich würde sie die europäische Energiepolitik in ihren Grundfesten erschüttern.
Während die EU-Staaten sich mühsam aus der Abhängigkeit russischer Energie befreien, käme der Vorschlag aus Washington einem diplomatischen Dammbruch gleich. Für viele in Brüssel ist klar: Eine Rückkehr zu Nord Stream 2 wäre ein Verrat – an der Ukraine, an der gemeinsamen Russlandpolitik und an Europas strategischer Autonomie.
„Wie ein russischer Agent“ – ein Vorwurf mit Geschichte
Der demokratische Senator Jeff Merkley brachte es vor wenigen Wochen in einer Anhörung auf den Punkt: „Wie könnte Trump als russischer Agent noch mehr im Sinne Moskaus handeln, als er es jetzt schon tut?“ Die Frage klingt überspitzt – ist aber Ausdruck wachsender Besorgnis im politischen Washington.
Denn Trumps Russland-Politik folgt einer eindeutigen Linie: Distanz zu NATO-Partnern, Sympathie für autoritäre Systeme, Verachtung für multilaterale Bündnisse.
Die Idee, mit Russland ausgerechnet über Nord Stream 2 zu verhandeln, erscheint vielen Beobachtern wie ein Beleg für genau diese Haltung. Und sie wirft ein neues Licht auf die Debatte um mögliche Verflechtungen zwischen Trump und dem Kreml – unabhängig davon, ob der Mueller-Bericht strafrechtlich relevante Beweise fand oder nicht.
Der wirtschaftliche Kollateralschaden
Neben der geopolitischen Dimension hat Trumps Vorstoß auch wirtschaftliche Folgen – für Europa und für deutsche Unternehmen. Sollte Nord Stream 2 tatsächlich wieder in Betrieb gehen, stünde das in direktem Widerspruch zu aktuellen Investitionen in LNG-Infrastruktur, Wasserstoff-Importe und Energiepartnerschaften außerhalb Russlands. Ganze Branchen, die sich auf eine Dekarbonisierung und Diversifizierung eingestellt haben, müssten ihre Strategien überdenken.
Zudem würden westliche Sanktionen massiv untergraben. Der Druck auf Russland – wirtschaftlich ohnehin brüchig – würde spürbar nachlassen. Und mit ihm die Glaubwürdigkeit des Westens, wenn es um die Einhaltung eigener Prinzipien geht.
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