Der tägliche Kampf von Pendlern mit Baustellen auf der Schiene ist längst zur Normalität geworden. Doch das, was sich in den kommenden Monaten am Niederrhein abspielen wird, hat selbst die Deutsche Bahn zur beispiellosen Herausforderung deklariert: Eine insgesamt 80 Wochen umfassende Einschränkung der Strecke von Oberhausen über Emmerich bis in die Niederlande steht bevor. Diese Bauarbeiten betreffen sowohl Pendler, den Fernverkehr als auch die Industrie auf dieser essenziellen Güterverkehrsschiene. Anlass für die Bauarbeiten ist ein ambitioniertes europäisches Projekt zur Modernisierung wichtiger Transportwege.
Der Niederrhein wird Teil eines umfangreichen Güterverkehrskorridors, der von Rotterdam bis nach Genua reicht. Der Ausbau dieser Strecke, der vor über zwei Jahrzehnten beschlossen wurde, soll die Schiene mit modernen Standards aufwerten und bedeutende Wirtschaftszentren besser an internationale Seehäfen anbinden. Während die niederländische Betuwe-Linie bereits 2007 in Betrieb ging, hinkt der Deutsche Ausbauplan weit hinterher. Geplant ist der durchgehende Ausbau auf drei Gleise sowie umfassende Modernisierungen der bestehenden Infrastruktur. Das Projekt wird sich voraussichtlich noch viele Jahre hinziehen.
Besondere bauliche Herausforderungen sind unter anderem die Anpassungen der Brücke über den Wesel-Datteln-Kanal. Eine insgesamt drei Kilometer lange Streckenanpassung ist nötig, um der gestiegenen Schiffshöhe Rechnung zu tragen. Dies erfordert erhebliche Eingriffe in die bestehende Streckenführung sowie Anpassungen mehrerer Brücken und Bahnhöfe entlang der Strecke.
Landrat Ingo Brohl unterstreicht die enormen Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft und die Pendler und fordert von der Bahn zuverlässige Ersatzlösungen während der Bauarbeiten. Die großangelegte Streckensperrung führt zu Umleitungen im Fernverkehr und erhöhtem Umstieg auf Ersatzbusse im regionalen Personennahverkehr.
Die Region, insbesondere ihre Chemieindustrie und das produzierende Gewerbe, sieht sich mit erheblichen Restriktionen konfrontiert. Dennoch betonte Bahn-Projektleiter Stefan Ventzke, dass nur eine modernisierte Infrastruktur langfristig den Weg für eine Verkehrswende ebnen kann und so mehr Menschen für die klimafreundliche Bahn gewonnen werden.