Nicole Kidman schlägt erneut ungewöhnliche Wege ein: Nach ihrem leidenschaftlichen Abenteuer mit Zac Efron in „A Family Affair“ gerät sie nun in den atmenden Spannungsbogen von „Babygirl“ unter der Regie der niederländischen Autorin und Regisseurin Halina Reijn. Anders als eine alberne Komödie über Altersunterschiede, geht es in diesem Film um hohe Einsätze - Karriere, Familie, Würde - wobei Gefahr das primäre Stimulans darstellt. Mit „Babygirl“ meldet sich der erotische Thriller zurück, und das weitaus geschickter als die wenig überzeugenden Versuche des letzten Jahres wie „Deep Water“ oder das misslungene Remake von „Fatal Attraction“.
Kidmans Romy, Chefin des Automatisierungsunternehmens Tensile, ist souverän und effizient; zu Hause von ihrem liebevollen Ehemann Jacob (Antonio Banderas) und ihren zwei Teenager-Töchtern vergöttert. Trotz Anzeichen von Arbeitswut, Handy-Sucht und heimlichen Liebesspielchen, bleibt sie zunächst noch auf dem Boden der Tatsachen. Dies ändert sich mit dem Erscheinen des selbstbewussten Praktikanten Samuel (Harris Dickinson), dessen Blickbegegnungen mit ihr mittelfristig zu knisternden Eskapaden führen.
Assoziationen zu anderen Filmen drängen sich auf: Die BDSM-ähnlichen Spielchen im Büro erinnern an „Secretary“ aus dem Jahr 2002, während Romys Doppelleben zwischen beruflicher Dominanz und unterwürfigen Fantasien Parallelen zur Isabelle Huppert's düsterer Rolle in „Elle“ aufweist. Auffällig ist auch die fast schon augenzwinkernde Hommage an „Basic Instinct“, als Romy Samuel in einem techno-club im Geschäftsoutfit verfolgt – wie Michael Douglas einst im Tanzpullover.
Ein zentrales Thema ist das Alter, und nicht nur wegen der Altersdifferenz zwischen den Protagonisten. Romy wird ständig daran erinnert, dass sie nicht jünger wird, was ihre Verfehlung noch rebellischer erscheinen lässt. Kidman geht dabei weit über die Komfortzone der meisten Schauspieler hinaus und zeigt sich auch nach über 40 Jahren Karriere mutig und schonungslos. Dickinson hält als strenger Samuel dennoch stand, während Banderas in seiner Rolle als Jacob beweist, dass noch Glut unter der kuscheligen Fassade lodert.
Der Film thematisiert schließlich Veränderungen in den männlich-weiblichen Machtverhältnissen der letzten Jahre, ohne jedoch zur Moralpredigt zu neigen, sondern lässt viele Fragen bewusst offen. Dies könnte der Grund sein, warum „Babygirl“ sowohl sexy als auch verstörend bleibt. Ob der erotische Thriller im Jahr 2024 noch relevant ist, stand zur Debatte. Doch „Babygirl“ zeigt, dass dieses Genre zwar gereift, aber dennoch verführerisch ist.