Es wirkt wie ein schlechter Scherz: Der Bruch der Ampel-Koalition entfacht nicht nur innenpolitisch Diskussionen, sondern zieht auch bissige Kommentare aus dem Ausland an. In London, New York und Zürich sieht man besorgt, spöttisch und manchmal sogar verständnislos auf Deutschland.
Der Niedergang der Industrie, die hohen Energiepreise und die politische Unsicherheit im Herzen Europas – für viele ein beunruhigendes Bild eines Landes, das einst als Garant der Stabilität galt.
In der deutschen Industrie kriselt es – laut dem „Wall Street Journal“ ein Symptom der klimapolitischen Lasten, die die Bundesregierung der Wirtschaft aufbürdet.
„Deutschland de-industrialisiert sich“, konstatiert das US-Medium kühl.
Explodierende Kosten zwingen Firmen wie Volkswagen zu Entlassungen und Standortverlagerungen. Die Industrieproduktion ist seit Februar 2023 im freien Fall – zehn Prozent Rückgang allein in diesem Jahr, fast 20 Prozent weniger als 2017.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: So, meinen die Analysten, könne Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig bleiben.
Klimaziele als Bremsklotz?
Für viele internationale Beobachter ist Deutschlands Klimapolitik ein entscheidender Faktor für die wirtschaftlichen Probleme. Die steigenden Energiepreise belasten die energieintensive Industrie und treiben viele Unternehmen zum Umdenken – oder zur Abwanderung.
Für das „Wall Street Journal“ steht fest: Wer gegen den Klimawandel kämpft, riskiert seine Industrie. Dass es Alternativen geben könnte, scheint für die deutsche Politik jedoch nicht zur Debatte zu stehen.
Und dann ist da noch der drohende Schatten aus Übersee: Sollte Donald Trump wieder ins Weiße Haus einziehen, ist mit einer Lockerung der Umweltauflagen in den USA zu rechnen – eine Entwicklung, die amerikanische Firmen in die Lage versetzen würde, deutsche Konkurrenten auszustechen. Deutschlands Klimaziele stünden plötzlich nicht mehr als Modell da, sondern als teurer Nachteil.
Spott und Unverständnis aus der Schweiz
Während in Deutschland über Neuwahlen diskutiert wird, wundert man sich in der Schweiz über bürokratische Hürden. Die „Neue Zürcher Zeitung“ verspottet die Bundeswahlleiterin, die vor logistischen Problemen gewarnt hatte, sollte es kurzfristig zu einer Neuwahl kommen.
„Nichts funktioniert richtig im großen Nachbarland“, heißt es süffisant.
Wahlzettel, Wahllokale, Wahlhelfer – das solle ein Problem sein?
Die Wahlleitung verteidigt sich: Die Umstände seien alles andere als einfach, der Zeitdruck beträchtlich. Doch die NZZ hat wenig Verständnis für die deutschen Behörden und macht eine deutliche Ansage: „Wenn es hart auf hart kommt, muss auch in Deutschland mal abends gearbeitet werden. Und am Sonntag. Da muss Deutschland durch.“
Politische Instabilität – und die Folgen
Auch der britische „Guardian“ sieht Deutschland im Schlingern. Die Zeiten, in denen die deutsche Regierung als Fels in der europäischen Brandung galt, scheinen vorbei. Für das britische Blatt ist klar: Mit dem Bruch der Ampel-Koalition könnte eine Phase der Instabilität beginnen.
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Wie die EU auf den bevorstehenden Wechsel in Washington reagieren soll, während in Berlin die Regierung schwächelt, ist unklar. Dass gerade jetzt der deutsch-französische Motor ins Stocken gerät, sorgt in den Redaktionen Londons für wenig Hoffnung auf baldige Besserung.
Vergleiche zu Frankreich, das ebenfalls politisch geschwächt dasteht, liegen auf der Hand. Auch hier werden Sorgen laut, dass das Europa der „starken Mitte“ den geopolitischen Herausforderungen kaum noch gewachsen ist.
Unruhige Zeiten, nicht nur in der Politik
Derweil ziehen auch schwedische Journalisten Parallelen zur eigenen Geschichte. Die „Göteborgs-Posten“ sieht in Deutschlands Umgang mit der AfD eine ähnliche Dynamik wie vor zehn Jahren in Schweden: Populisten wachsen, während die etablierten Parteien mit vereinten Kräften die Mitte verteidigen – oft mit unheiligen Bündnissen, die der Glaubwürdigkeit der Politik eher schaden als nützen.
Für die Schweden ist das nicht nur ein deutsches, sondern ein europäisches Phänomen. Der Kommentar der „Göteborgs-Posten“ erinnert an eine düstere Wahrheit: Ein Land, das die politische Mitte verliert, läuft Gefahr, in Spaltung und Populismus zu versinken. Die Frage ist, ob Deutschland aus den Erfahrungen seiner europäischen Nachbarn lernen kann – oder ob es unweigerlich in dieselben Fallen tappt.
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Die Antwort könnte nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa entscheidend sein: Ein starkes, stabiles Deutschland ist für die EU nicht nur wünschenswert, sondern unverzichtbar.