16. Oktober, 2024

Politik

Netanjahu und die Zweistaatenlösung: Hat sein radikaler Kurs den Frieden blockiert?

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu lehnt die Zweistaatenlösung seit Jahren kategorisch ab. Ist es sein ideologisches Erbe oder politisches Kalkül, das ihn zu diesem radikalen Kurs bewegt?

Netanjahu und die Zweistaatenlösung: Hat sein radikaler Kurs den Frieden blockiert?
Benjamin Netanjahus strikte Ablehnung der Zweistaatenlösung wird sowohl auf sein ideologisches Erbe als auch auf seine politische Taktik zurückgeführt – geprägt durch den extremen Zionismus seines Vaters.

Die Welt drängt auf Verhandlungen – doch Benjamin Netanjahu scheint unerbittlich. Angesichts des Gaza-Kriegs und der eskalierenden Gewalt im Libanon wird der Ruf nach einer Zweistaatenlösung lauter.

Israel, so die internationale Gemeinschaft, müsse den Palästinensern endlich einen eigenen Staat zugestehen. Doch der israelische Premierminister bleibt stur und lässt keine Verhandlungsbereitschaft erkennen.

Schon früh in seiner politischen Karriere stellte Netanjahu klar, dass er von einer Zweistaatenlösung nichts hält. Bereits während seiner Zeit in den USA lehnte er öffentlich die Idee eines palästinensischen Staates im Westjordanland und Gaza ab. Die Palästinenser hätten mit Jordanien bereits einen Staat, erklärte er. Diese harte Haltung begleitet ihn bis heute.

Ein ideologisches Erbe?

Netanjahus Ablehnung der Zweistaatenlösung ist tief in seiner Familiengeschichte verwurzelt. Sein Vater, Benzion Netanjahu, war ein glühender Verfechter des revisionistischen Zionismus.

Er glaubte fest daran, dass es kein palästinensisches Volk gebe und dass Israel auf beiden Seiten des Jordans existieren sollte. Kompromisse hielt er für undenkbar.

Die radikalen Ansichten seines Vaters prägten Benjamin Netanjahu in vielerlei Hinsicht. Obwohl der Premierminister die enge ideologische Bindung an seinen Vater öffentlich oft herunterspielt, wird deutlich, dass die kompromisslose Haltung seines Vaters auf ihn abgefärbt hat.

Ein Politiker der Taktik und des Machterhalts

Doch ist es wirklich nur Ideologie, die Netanjahu antreibt? Experten wie der Politikwissenschaftler Eran Vigoda-Gadot sehen in Netanjahu einen klugen Machtpolitiker.

Nach den Hamas-Angriffen vom 7. Oktober lehnen 80 Prozent der Israelis eine Zweistaatenlösung ab – eine Entwicklung, die Netanjahu nutzt, um seine harte Linie weiter zu festigen.

Während er sich in der Öffentlichkeit als entschlossener Gegner der Zweistaatenlösung präsentiert, hat er in der Vergangenheit durchaus pragmatisch agiert. So traf er sich 1996 mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat und stimmte dem Rückzug israelischer Truppen aus Hebron zu.

Auch die langjährige Sicherheitskooperation mit der palästinensischen Autonomiebehörde zeigt, dass Netanjahu durchaus fähig ist, Kompromisse einzugehen – wenn es ihm politisch nützt.

Trotz dieser pragmatischen Ansätze bleibt Netanjahu in seiner Grundhaltung unverrückbar: Er will keine Verhandlungen, die auf eine Zweistaatenlösung abzielen. Viele Beobachter sind überzeugt, dass Netanjahu seinen Machterhalt in der rechten Wählerbasis sichert, indem er auf militärische Stärke und die Ablehnung diplomatischer Lösungen setzt.

Die Stimmung in Israel spielt ihm in die Karten

Nach den schockierenden Angriffen der Hamas vom 7. Oktober ist die Stimmung in Israel mehr denn je gegen die Zweistaatenlösung gerichtet. Eine Umfrage zeigt, dass 80 Prozent der israelischen Bevölkerung die Idee eines palästinensischen Staates ablehnen.

Verhandlungen? Fehlanzeige. Obwohl die internationale Gemeinschaft Druck ausübt, bleibt Netanjahu bei seiner Ablehnung eines palästinensischen Staates – eine Haltung, die ihn bisher erfolgreich an der Macht hält.

Für Netanjahu bedeutet das, dass er keinen Grund hat, von seiner harten Linie abzuweichen. In seiner rechtsgerichteten Regierungskoalition gibt es ohnehin niemanden, der Verhandlungen mit den Palästinensern unterstützt.

Es scheint, als sei der Premierminister fest entschlossen, seine Macht zu sichern, auch wenn das bedeutet, den Friedensprozess endgültig zu blockieren. „Die Bereitschaft zu Verhandlungen würde ihn sicherlich das Amt kosten“, sagt Eran Vigoda-Gadot. Netanjahu könne daher bequem am ideologischen Erbe seines Vaters festhalten.

Ein Kurs ohne Kompromisse

Für viele Beobachter stellt sich die Frage: Wie lange kann Netanjahu diesen Kurs noch durchhalten? Die internationale Gemeinschaft drängt auf eine Lösung des Nahostkonflikts, doch Netanjahus Regierung zeigt keine Anzeichen für ein Einlenken. Es scheint, als ob der Premierminister die aktuelle Krise nutzt, um seine Position weiter zu festigen – und die Zweistaatenlösung endgültig zu beerdigen.

Der israelische Premier hat es bisher verstanden, durch taktisches Geschick und die geschickte Nutzung internationaler Allianzen an der Macht zu bleiben. Doch der Druck wächst. Die Frage bleibt, ob Netanjahu den historischen Moment nutzen wird, um Frieden zu schaffen – oder ob er als der Regierungschef in die Geschichte eingeht, der den Nahen Osten weiter ins Chaos führte.

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