08. November, 2024

Politik

Nestlé und Ferrero gegen die EU – Nachhaltigkeit auf Eis?

Die EU verschiebt ihr geplantes Entwaldungsgesetz, das Abholzung entlang der Lieferketten bekämpfen soll. Europas Schokoladenkonzerne, darunter Nestlé und Ferrero, schlagen Alarm: Unsicherheit bremst Investitionen und gefährdet den Fortschritt.

Nestlé und Ferrero gegen die EU – Nachhaltigkeit auf Eis?
Scharfe Kritik an der EU-Kommission: Konzerne wie Michelin und Carrefour sind entsetzt über den plötzlichen Aufschub der neuen Entwaldungsvorgaben.

Die Schokoladenindustrie zieht an einem Strang – aber diesmal geht es nicht um süße Produkte. Europas größte Konzerne wie Nestlé und Ferrero kämpfen gegen die Verzögerung des EU-Entwaldungsgesetzes, das Ende Dezember in Kraft treten sollte.

Die Unternehmen, die längst in nachhaltige Lieferketten investieren, warnen: Der Aufschub verunsichert die Branche und könnte Fortschritte zunichtemachen.

Das Gesetz, für das Produktionsländer wie Indonesien und Brasilien ein Jahr Aufschub erreicht haben, verbietet den Verkauf von Produkten aus abgeholzten Flächen – etwa Kakao, Palmöl und Kautschuk. Unternehmen, die bereits in Kartierung und Überwachung investiert haben, fühlen sich ausgebremst.

Nestlé und Ferrero im Schulterschluss

Francesco Tramontin, Vice President für Public Affairs bei Ferrero, bringt es auf den Punkt: „Wir brauchen Klarheit, um nachhaltige Schritte weiterzuverfolgen.“ Ferrero und Co. befürchten, dass eine erneute Diskussion im EU-Parlament am Kern des Gesetzes rütteln könnte.

Auch Nestlé, das stark in die Nachverfolgbarkeit seiner Lieferketten investiert hat, fordert, dass das Gesetz in seiner geplanten Form bleibt. Bart Vandewaetere, Nestlés Vice President für ESG-Engagement, warnt vor weiteren Unsicherheiten: „Das könnte unsere Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit massiv behindern.“

Investitionsdruck und hohe Strafen

Der Widerstand der Schokoladenindustrie und anderer Branchen wie Michelin und Carrefour ist nicht unbegründet. Nach einer Schätzung der EU könnten Unternehmen durch das Gesetz jährlich mit Kosten von bis zu 2,5 Milliarden US-Dollar rechnen – eine Summe, die sie bereits in ihre Nachhaltigkeitsstrategien einplanen.

Verstöße könnten mit Bußgeldern von bis zu 4 % des Jahresumsatzes geahndet werden. „Die ganze Branche hat sich bereits auf das Gesetz vorbereitet“, sagt Marc Genot, Geschäftsführer des Naturkautschukproduzenten SIPH.

Politische Spannungen und internationale Kritik

Während europäische Konzerne auf Klarheit drängen, regt sich auch internationaler Widerstand. Minister aus Brasilien, Malaysia und anderen Ländern fordern eine Überarbeitung des EU-Entwaldungsgesetzes, das ihre Wirtschaft beeinträchtigen könnte.

Vor allem das EU-Benchmarking, das das Entwaldungsrisiko einzelner Länder bewertet, sorgt für Spannungen. Kritiker sprechen von einer neuen Form wirtschaftlicher Abhängigkeit.

Das Gesetz betrifft 5,5 % aller EU-Importe im Wert von rund 401 Milliarden US-Dollar. Eine Verzögerung könnte die geplanten Maßnahmen gegen Entwaldung gefährden und die internationalen Lieferketten der EU-Konzerne beeinflussen.

Die Schokoladenindustrie, die ohnehin schon unter Rohstoffdruck steht, ist besonders betroffen. Unternehmen wie Mars und Unilever schließen sich dem Widerstand gegen die Verschiebung an, um die Nachhaltigkeit ihrer Lieferketten zu sichern.

Mit dem Widerstand von Schokoladen- und Kautschukherstellern gewinnt der Kampf gegen die Entwaldung eine neue Dimension: Die Verantwortung für den Waldschutz beginnt nicht nur in den Tropen, sondern reicht bis in die Vorstände europäischer Konzerne.