Nestlé, das Schweizer Lebensmittelimperium, steht vor einer der größten Herausforderungen seiner Geschichte. Seit Laurent Freixe im August 2024 das Steuer übernommen hat, sind die Erwartungen an ihn hoch. Nach einem dramatischen Kursverlust von rund 15 Prozent in diesem Jahr soll Freixe den Konzern aus der Krise führen.
Die ersten Zahlen, die unter seiner Führung veröffentlicht wurden, enttäuschten jedoch viele Analysten. Statt eines soliden Wachstums von 2,5 Prozent schaffte Nestlé nur ein mageres organisches Wachstum von zwei Prozent – und das auch nur dank Preiserhöhungen. Für einen echten Wachstumsschub reichten die bisherigen Maßnahmen nicht aus.
Trägheit trotz hoher Erwartungen
Seit Beginn des Jahres hat Nestlé mit deutlichen Rückgängen in einigen Schlüsselbereichen zu kämpfen. Besonders der Wassersektor und das Tiefkühlgeschäft zeigen kaum noch Wachstumsdynamik.
Die von Freixes Vorgänger Mark Schneider forcierte Ausrichtung auf vegane Produkte hat die gewünschten Umsatzsteigerungen nicht gebracht. Freixe steht also vor der Mammutaufgabe, den Kurs neu zu justieren, ohne dabei die Markenstärke von Nestlé zu gefährden.
„Wir haben ein wirklich starkes Portfolio, das weltweit anerkannt ist“, betont Freixe immer wieder.
Doch Worte allein werden die Probleme des Konzerns nicht lösen.
Umstrukturierungen und Einsparungen
Um den internen Druck zu mindern, hat der Verwaltungsrat eine Neustrukturierung beschlossen, die Anfang 2025 in Kraft treten soll. Die Konzerndirektion wird verkleinert, und die Marktregionen Nord- und Südamerika werden zu einer einzigen Zone zusammengeführt.
Auch der chinesische Markt wird nun in die Zone Asien, Ozeanien und Afrika integriert. Freixe verspricht, dass diese Maßnahmen zu mehr Effizienz führen sollen, und hat Einsparungen angekündigt, die unter anderem ins Marketing fließen sollen.
Seitenhieb auf die alte Führung?
Auffällig ist, dass Freixe in seinen ersten öffentlichen Äußerungen gezielt den Fokus auf den preisbewussten Kunden legt – eine klare Abkehr von der Strategie seines Vorgängers Schneider, der auf Nachhaltigkeit und vegane Lebensmittel setzte. Freixe hingegen will „den Bedürfnissen der Kunden“ wieder stärker Rechnung tragen.
Kritiker sehen hierin einen indirekten Seitenhieb auf die verfehlte Ausrichtung der letzten Jahre. Ob dieser Kurswechsel Nestlé aus der Wachstumsflaute helfen wird, bleibt abzuwarten.
Blick nach vorn: Kapitalmarkttag im November
Die große Bühne für Freixe wird der Kapitalmarkttag im November sein. Hier will er nicht nur seine Pläne zur Effizienzsteigerung detailliert vorstellen, sondern auch weitere Investitionen und mögliche Änderungen im Markenportfolio ankündigen.
Für viele Investoren wird dieser Tag entscheiden, ob Freixes Strategie greift oder ob Nestlé weiterhin in der Sackgasse steckt.
Realismus statt Euphorie
Trotz der großen Pläne bleibt Freixe realistisch:
„Wir müssen den Markt so nehmen, wie er ist, und darauf aufbauen.“
Die Rahmenbedingungen bleiben schwierig, besonders in einem Umfeld, in dem die Nachfrage nach Konsumgütern weltweit rückläufig ist. Ob er Nestlé jedoch aus dieser schwierigen Phase führen kann, wird die Zeit zeigen. Klar ist: Die Erwartungen sind hoch, und das Fenster, um Erfolge zu präsentieren, wird immer kleiner.
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