Als Yves Padrines im März 2022 den Chefposten bei Nemetschek übernimmt, sind die Erwartungen hoch – und die Herausforderungen groß. Das Unternehmen, bekannt für seine Softwarelösungen für die Bauwirtschaft, muss sich neu aufstellen: Die Branche steckt in der Krise, die internen Abläufe sind ineffizient, und das Geschäftsmodell braucht ein Update. Drei Jahre später steht Nemetschek glänzend da: Die Aktie ist um 50 Prozent gestiegen, das Unternehmen ist Europas siebtgrößter Softwarekonzern und in Deutschland die Nummer zwei hinter SAP. Was steckt hinter diesem Erfolg?
Neue Strategie, neues Wachstum
Padrines setzt von Anfang an auf ein klares Ziel: Das Unternehmen muss weg vom klassischen Lizenzverkauf und hin zu wiederkehrenden Einnahmen durch Abonnements. "Meine drei Prioritäten waren: die Umstellung auf Abonnements, die Umstellung auf Abonnements und die Umstellung auf Abonnements", fasst er seine Strategie zusammen. Mit Erfolg: Der Anteil der wiederkehrenden Umsätze ist von 60 auf über 90 Prozent gestiegen – ein gewaltiger Sprung in nur drei Jahren.
Warum die Baukrise Nemetschek hilft
Klingt paradox, aber gerade die Krise in der Bauwirtschaft treibt Nemetscheks Wachstum an. Während Bauunternehmen aufgrund hoher Zinsen und gesunkener Auftragszahlen unter Druck stehen, setzen viele auf Digitalisierung, um effizienter zu werden. "Mehr als die Hälfte der Unternehmen in der Bauwirtschaft arbeitet noch analog", sagt Padrines. "Aber Business as usual funktioniert nicht mehr." Nemetschek liefert genau die Software, die jetzt gefragt ist – und profitiert vom Nachholbedarf der Branche.
Trotz schwieriger Rahmenbedingungen konnte das Unternehmen seinen Umsatz im vergangenen Jahr um 17 Prozent auf knapp eine Milliarde Euro steigern. Ein starkes Ergebnis in einem schwierigen Marktumfeld.
Vom Familienunternehmen zur globalen Software-Macht
Georg Nemetschek gründete die Firma 1963 als Ingenieurbüro und entwickelte daraus eines der führenden Softwareunternehmen Europas. Der Börsengang 1999 machte ihn reich, seine Familie hält noch immer 51 Prozent der Anteile – ihr Vermögen wird auf 6,6 Milliarden Dollar geschätzt. Doch unter Padrines ist Nemetschek endgültig in der modernen Tech-Welt angekommen.
Lange Zeit agierte das Unternehmen eher wie eine lose Holding verschiedener Marken. Padrines verändert das: "Nemetschek muss mehr als eine strategische Gruppe funktionieren und nicht nur als ein Portfolio unterschiedlicher Firmen." Das bedeutet: mehr Zusammenarbeit, weniger Doppelstrukturen und eine schlagkräftigere Organisation.
Großangriff durch Übernahmen
Ein weiterer Wachstumsmotor: Zukäufe. Nemetschek setzt auf Expansion und kaufte im vergangenen Sommer für 770 Millionen Dollar den US-Konkurrenten Gocanvas – die größte Übernahme der Firmengeschichte. Und es soll weitergehen: "Wir suchen nach weiteren Unternehmen, die unser Portfolio ergänzen – von Start-ups mit innovativer Technologie bis hin zu größeren Softwareanbietern", so Padrines.
Der Umbau zeigt Wirkung. Während Konkurrenten mit Veränderungen kämpfen, wächst Nemetschek unaufhaltsam. "Die Strategie trägt Früchte", sagt Analyst Harald Hof von MWB Research. "Man sieht es am Aktienkurs und an den Umsatzsteigerungen."