Vollgas in die Debatte
Wer in Berlin politische Akzente setzen will, braucht offenbar keine Reformvorschläge mehr – ein Tweet reicht. Cansel Kiziltepe, SPD, Senatorin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales, hat das Prinzip verinnerlicht. Und schrieb es am Mittwoch – kurz, drastisch, unübersehbar:
„Wer will auch ein Nazi-Auto fahren?“ Gemeint war: Tesla.
Das Problem: Tesla ist nicht nur irgendein US-Konzern, sondern mit 11.000 Beschäftigten der größte private Arbeitgeber in Brandenburg. Die Hälfte der Mitarbeitenden pendelt täglich aus Berlin zur Gigafactory in Grünheide. Und mit dem E-Autobauer steht und fällt ein gutes Stück wirtschaftlicher Stabilität der Hauptstadtregion.
Wenn Haltung den Kompass ersetzt
Was also will die Berliner Arbeitssenatorin mit so einem Tweet sagen? Dass sie Elon Musk nicht mag? Geschenkt. Dass Tesla politisch anders tickt als die Berliner SPD? Überraschung! Aber was genau ist an einem Auto „Nazi“, das in Brandenburg emissionsfrei gebaut wird, von Menschen aus 60 Nationen?
Vermutlich ist die Antwort banaler: Es geht um Symbolpolitik. Um Reibung. Um Reichweite. Und vielleicht um ein paar Likes aus der eigenen Twitter-Bubble. Sachpolitik? Arbeitsmarkt? Unternehmensansiedlungen? Bleiben da schnell auf der Strecke.

SPD gegen SPD
Besonders bizarr: Der Widerspruch kommt nicht etwa von der Opposition, sondern aus der eigenen Partei. Brandenburgs Wirtschaftsminister Daniel Keller – ebenfalls SPD – forderte Kiziltepe offen auf, die Aussage zurückzunehmen. Ihr Vergleich sei „historisch untragbar“ und eine „Verletzung für die Menschen, die dort arbeiten“.
Keller weiß: Ohne Tesla sähe Brandenburgs Konjunktur düsterer aus. Das Land hat es – auch dank Musks Milliardeninvestitionen – bisher geschafft, an der Rezession vorbeizurutschen. Das zu diskreditieren, ist politischer Harakiri. Nur offenbar nicht für Kiziltepe.
Kiziltepe schweigt, CDU tobt
Während die Arbeitssenatorin den Tweet weiter online lässt und auf Nachfrage schweigt, tobt der Koalitionspartner. CDU-Fraktionschef Dirk Stettner nennt den Vergleich eine „Relativierung des Naziterrors“. Wirtschaftspolitiker Gräff spricht von einem „Totalausfall“, nicht nur politisch, sondern auch menschlich.
Dabei bräuchte die Berliner Landesregierung gerade jetzt Geschlossenheit: Wohnungsnot, überforderte Verwaltung, steigende Sozialausgaben. Stattdessen beschäftigt sich das Abgeordnetenhaus mit semantischen Selbsttoren und ideologischen Scharmützeln.
Wirtschaft reagiert mit Kopfschütteln
Auch die Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg äußern sich entsetzt. Alexander Schirp von der UVB nennt den Tweet einen „Affront“. Nicht nur gegenüber Tesla, sondern gegenüber allen, die an wirtschaftlicher Vernunft interessiert sind.
Er bringt es auf den Punkt: Wer öffentlich ein globales Unternehmen diskreditiert, das Zehntausende Familien ernährt, erhöht nicht gerade die Chancen auf weitere Investitionen. Schon gar nicht in der Hauptstadt. Schon gar nicht in Zeiten, in denen jedes neue Werk, jeder neue Job umkämpft ist.
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Der Preis für billige Empörung
Das Brisante an Kiziltepés Einwurf ist nicht nur die Entgleisung selbst. Es ist die politische Kultur, die sich darin zeigt: Symbolgesten statt Substanz, Twitter statt Gesetzgebung, Haltung statt Hausaufgaben. Das ist gefährlich. Denn wirtschaftliche Realität lässt sich nicht wegposten.
Berlin und Brandenburg sind wirtschaftlich eng verflochten. Wer Gräben zwischen den Bundesländern zieht, gefährdet gemeinsame Projekte – nicht zuletzt im Arbeitsmarkt. Wer Unternehmen öffentlich beleidigt, statt mit ihnen zu sprechen, spielt mit Vertrauen.
Und Tesla?
Das Unternehmen schweigt bisher. Vielleicht, weil es sich den Zirkus in Berlin längst gewohnt hat. Vielleicht, weil man sich den Kommentar spart – wenn andere sich schon selbst demontieren. Vielleicht aber auch, weil man sich in Grünheide längst fragt, ob es nicht bessere Orte gibt, um in Europa zu investieren.
Die politische Kulisse in Berlin liefert jedenfalls wenig Argumente dagegen.