Sind Senioren wirklich ein Risiko hinterm Steuer?
Die Vorstellung ist weit verbreitet: Ältere Autofahrer bremsen den Verkehr, verursachen Unfälle und sollten eigentlich längst ihren Führerschein abgeben. Doch Verkehrsexperten warnen davor, Senioren pauschal zu stigmatisieren.
„Ältere Fahrer passen ihren Fahrstil oft bewusst an und sind dadurch weniger gefährdet als viele denken“, erklärt Ulrich Chiellino, Leiter Verkehrspolitik beim ADAC. Tatsächlich zeigen Unfallstatistiken ein differenzierteres Bild, als viele erwarten würden.
Zahlen, die überraschen
Laut der amtlichen Unfallstatistik war im Jahr 2023 die Mehrheit der über 65-jährigen Autofahrer bei Unfällen Hauptverursacher. Doch dieser Wert ist relativ: Gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil verursachen Senioren weniger Unfälle als jüngere Altersgruppen.
Nur 15 Prozent der Unfallbeteiligten mit Personenschaden gehören zu den über 65-Jährigen, obwohl sie 22 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Ähnlich sieht es bei der Gruppe der über 75-Jährigen aus, die elf Prozent der Bevölkerung stellen, aber nur sieben Prozent der Verkehrsunfälle verantworten.
Die Erklärung liegt auf der Hand: Ältere Menschen verbringen weniger Zeit im Straßenverkehr. Sie fahren seltener zur Arbeit und meiden Spitzenzeiten oder widrige Bedingungen wie Dunkelheit. Diese Vorsicht schlägt sich in den Zahlen nieder.
Fehlerquote und Vorsicht
Natürlich gibt es Fahrfehler, die älteren Autofahrern häufiger unterlaufen. Abbiegen, Rückwärtsfahren oder das Missachten der Vorfahrt gehören laut Statistik zu den häufigsten Ursachen für Unfälle in dieser Altersgruppe.
Doch wie Chiellino betont: „Jede Altersgruppe hat ihre spezifischen Schwächen. Fahranfänger beispielsweise machen oft gravierendere Fehler als Senioren.“
Ein weiterer Vorteil der älteren Generation: Sie fährt selten unter Alkoholeinfluss und zeichnet sich durch einen defensiveren Fahrstil aus. Experten betonen, dass diese Besonnenheit oft unterschätzt wird.
Führerscheintests – die falsche Antwort?
Die Debatte um verpflichtende Führerscheintests für ältere Fahrer wird regelmäßig geführt, doch Experten sehen darin keine praktikable Lösung. „Solche Tests sind nur dann sinnvoll, wenn sie anlassbezogen erfolgen, etwa nach einer Erkrankung“, so Chiellino.
In Ländern wie Dänemark und der Schweiz, die verpflichtende Tests einführten, zeigten sich ernüchternde Ergebnisse: Die erhoffte Verbesserung der Verkehrssicherheit blieb aus.
Im Gegenteil: Viele Senioren gaben das Autofahren aus Angst vor dem Test freiwillig auf und wechselten auf Fahrräder – ein weit gefährlicheres Verkehrsmittel. In Deutschland ist jeder zweite tödliche Fahrradunfall auf einen Menschen über 75 Jahre zurückzuführen.
Mobilität im Alter sichern
Statt ältere Autofahrer durch Vorschriften zu belasten, plädieren Experten für flexible Alternativen. Bürgerbusse, Nachbarschaftshilfen oder günstigere Mobilitätsangebote könnten dazu beitragen, Senioren vom Auto unabhängig zu machen, ohne ihre Mobilität zu gefährden. Denn für viele bleibt das Auto die einzige Möglichkeit, auch im Alter selbstständig zu bleiben.
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