Die leidenschaftlich geführten Diskussionen über den Migrationskurs der Union haben nach Ansicht des renommierten Wahlforschers Matthias Jung alle politischen Lager in Bewegung gesetzt. Dennoch sind die Umfragewerte letztlich unverändert geblieben und gleichen einem Nullsummenspiel. Die lauten Proteste gegen die Unionspolitik dienen vor allem einer klaren Selbstvergewisserung bestimmter Wählergruppen. Gleichzeitig rufen sie eine Gegenmobilisierung hervor, die ein Gleichgewicht in den Umfragen bewirkt, so das Vorstandsmitglied der Forschungsgruppe Wahlen gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz von der CDU geriet zuletzt stark in die Kritik, da er im Bundestag Unterstützung von der AfD in Kauf nahm, um seinen strikteren Migrationskurs durchzusetzen. Dies führte dazu, dass sich am vergangenen Wochenende eine beträchtliche Zahl von Demonstranten in Deutschland gegen rechte Politik und eine mögliche Zusammenarbeit mit der AfD aussprach. Diese Entwicklungen haben jedoch die Umfragewerte nicht maßgeblich verändert, wie bereits in den vorangegangenen Wochen zu beobachten war.
Matthias Jung ist darüber wenig erstaunt: Immer wiederkehrende Diskussionen über Migration, ausgelöst durch die Ereignisse in Städten wie Mannheim, Magdeburg und Solingen, hätten die Meinungen in der Bevölkerung gefestigt. "Diejenigen, die Kriminalität durch Migranten sensibel verfolgen, sind längst bei der AfD", hebt er hervor. Stefan Merz von Infratest dimap teilt diese Perspektive und betont im ARD-Podcast „Interview der Woche“, dass die politische Lage deutlich stabiler und weniger dynamisch sei als vor der Bundestagswahl 2021. Eine grundlegende Verschiebung zugunsten Friedrich Merz ist wenig wahrscheinlich, auch wenn er aktuell als Favorit gilt.
Die Union, obwohl stärkste Oppositionskraft, scheint nicht wirklich von der allgemeinen Unzufriedenheit profitiert zu haben. Jung sieht das Problem bei Friedrich Merz, der Chancen zur Bündelung kritischer Stimmen gegen die Regierung nicht genutzt hat und stattdessen die Partei zu stark in konservative und ordoliberale Positionen gedrängt hat.