Ein Jahrzehnt nach Einführung des Mindestlohns wird er wieder zum großen Thema. Was einst mit 8,50 Euro begann, soll nach Plänen der SPD bald auf 15 Euro steigen.
„Ein angemessener Lohn für die Menschen, die dieses Land am Laufen halten“, sagt Bundeskanzler Olaf Scholz. Doch die Diskussion bleibt kontrovers. Arbeitgeber, Gewerkschaften und Parteien liefern sich einen Schlagabtausch – mit der Bundestagswahl im Februar als Kulminationspunkt.
Ein politischer Dauerbrenner
Seit seiner Einführung 2015 wurde der Mindestlohn zu einer zentralen Errungenschaft der Sozialpolitik. Heute liegt die Lohnuntergrenze bei 12,82 Euro.
Die aktuelle Anpassung sorgt jedoch für Unmut, besonders auf Arbeitnehmerseite. „Die Erhöhung ist angesichts der Inflation schlicht unzureichend“, kritisiert Stefan Körzell vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).
Die SPD drängt auf eine schnelle Anpassung. Bis 2026 sollen es 15 Euro sein, erklärt Kanzler Scholz, der das Thema seit dem Frühjahr prominent besetzt. Die Grünen unterstützen diesen Vorstoß. „Der Mindestlohn muss existenzsichernd sein“, fordert Parteichefin Ricarda Lang.
Doch andere Parteien bremsen. Die Union will die Entscheidungen wieder allein der unabhängigen Mindestlohnkommission überlassen, die zuletzt erstmals keine einvernehmliche Entscheidung traf.
Die Wirtschaft schlägt Alarm
Während die Politik sich um Stimmen bemüht, mahnen Wirtschaftsvertreter vor überstürzten Schritten. Eine IAB-Studie zeigt: Eine Erhöhung auf 14 Euro könnte 20 Prozent der Betriebe belasten, insbesondere im Handel, in der Gastronomie und der Logistik.
„Kleine Unternehmen stöhnen unter steigenden Kosten“, warnt Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).
Besonders problematisch sei die Unsicherheit: „Wir brauchen Planbarkeit, keine politischen Schnellschüsse,“ ergänzt Kampeter. Doch die Gewerkschaften sehen das anders. „Nach Jahren des Reallohnverlusts ist ein höherer Mindestlohn das Mindeste, was man den Beschäftigten geben kann“, kontert Körzell.
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EU-Richtlinie als Zündstoff
Die EU-Mindestlohnrichtlinie heizt die Debatte weiter an. Sie empfiehlt, die Lohnuntergrenze bei mindestens 60 Prozent des Medianeinkommens festzusetzen. Für Deutschland wären das derzeit 14 Euro.
Doch Arbeitgeber argumentieren, die EU habe in der Lohnpolitik keine Kompetenz. Die SPD hingegen fordert eine Berücksichtigung dieser Regelung.
Auch die Grünen betonen die Bedeutung europäischer Standards. „Der Mindestlohn darf nicht zum politischen Spielball werden“, sagt Lang. Gleichzeitig macht die Linke Druck und fordert 15 Euro sofort sowie jährliche Inflationsanpassungen.
Ein gerechtes Niveau oder ein wirtschaftliches Risiko?
Die Frage, was ein angemessener Mindestlohn ist, bleibt hochpolitisch. Für viele Betriebe ist eine höhere Lohnuntergrenze eine Herausforderung, während Beschäftigte angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten kaum eine Alternative sehen. „Es ist ein Balanceakt zwischen sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Realität“, sagt Ökonomin Veronika Grimm.
Die Bundestagswahl am 23. Februar könnte die Richtung vorgeben. Fest steht: Die Debatte wird nicht enden, solange die Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern so weit auseinanderliegen.