In Deutschlands Biokraftstoffindustrie brodelt es. Seit Jahren warnt die Branche vor falsch deklariertem Biosprit aus China, der heimische Hersteller aus dem Markt drängt.
Nun scheint das Maß voll: Zwei große Kanzleien bereiten Schadenersatzklagen gegen das Bundesumweltministerium vor. Der Vorwurf: Untätigkeit und Versäumnisse, die tausende Arbeitsplätze gefährden.
„Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Importe aus China schlichtweg nicht den Vorschriften entsprechen“, erklärt Stefan Schreiber, Vorstand des Biokraftstoffherstellers Verbio und Präsident des Verbands Deutscher Biokraftstoffhersteller (VDB).
„Das Ministerium hätte längst eingreifen können.“ Doch bislang fehle jede effektive Maßnahme.
Gefährliche Fehlanreize im deutschen System
Die Wurzel des Problems liegt in einer deutschen Sonderregelung: Biokraftstoffe aus Abfallstoffen werden unter bestimmten Bedingungen doppelt auf die Treibhausgasminderungsquote (THG) angerechnet.
Diese Regel soll eigentlich Innovationen fördern. Doch sie hat auch eine Schattenseite: „Deutschland ist der attraktivste Markt für unlautere Anbieter“, sagt Elmar Baumann, Geschäftsführer des VDB.
Chinesische Exporteure deklarieren ofenbar frisches Pflanzenöl als „Abfallstoff“, um die doppelte Anrechnung zu erhalten. Die Folge: Der Markt wird mit billigem, falsch ausgezeichnetem Biosprit überschwemmt, während heimische Produzenten wie Verbio mit den Preisen nicht mithalten können.
Allein in den letzten zwei Jahren sind die Kosten zur Erfüllung der THG-Quote um 80 Prozent gefallen. „Das ist ruinös“, warnt Baumann.
Milliardenschäden für deutsche Hersteller
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Der Kurs der Verbio-Aktie ist innerhalb eines Jahres von 33 auf 11 Euro gefallen. Gleichzeitig stehen tausende Arbeitsplätze in der Branche auf dem Spiel.
Nach Angaben des VDB trägt die Biokraftstoffindustrie derzeit mit rund 6,5 Milliarden Euro zum deutschen Wirtschaftsstandort bei. Doch diese Rolle gerät zunehmend in Gefahr.
„Die deutschen Unternehmen werden hier bewusst im Stich gelassen“, sagt Schreiber. „Es braucht dringend striktere Regeln und eine klare Zertifizierungspflicht, wie sie andere EU-Staaten längst eingeführt haben.“
Andere Länder handeln, Deutschland zögert
Frankreich, Belgien und Österreich machen es vor: Dort müssen ausländische Biokraftstoff-Produzenten ihre Produktionsstätten registrieren, die Herkunft der Rohstoffe offenlegen und unabhängigen Kontrollen zustimmen.
„Diese Mechanismen könnten die Probleme hierzulande erheblich eindämmen“, meint Sandra Rostek von der Initiative „Klimabetrug stoppen“. Doch das Umweltministerium setzt auf eine EU-weite Lösung – ein Prozess, der Jahre dauern könnte.
Eine Sprecherin des Ministeriums erklärte, man nehme die Berichte über Betrug „sehr ernst“, sehe aber die Verantwortung auf europäischer Ebene. „Das hilft uns nicht weiter“, kontert Schreiber. „Wir brauchen sofortige Maßnahmen, sonst gibt es bald keine Biokraftstoffindustrie mehr in Deutschland.“
Breite politische Unterstützung – aber wenig Bewegung
Die Untätigkeit des Ministeriums stößt inzwischen auch in der Politik auf Widerstand. „Es kann nicht sein, dass die heimische Produktion durch systematischen Missbrauch gefährdet wird“, kritisiert Bernd Westphal, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.
Ähnliche Töne kommen von der CSU und FDP. Doch bislang bleiben konkrete Ergebnisse aus.
Nina Scheer, klima- und energiepolitische Sprecherin der SPD, fordert klare Maßnahmen: „Wir müssen sicherstellen, dass die nationalen Regeln keine Schlupflöcher bieten, die von Drittstaaten ausgenutzt werden können.“
Auch der Linken-Politiker Ralph Lenkert wirft dem Ministerium schwere Versäumnisse vor: „Es drängt sich der Verdacht auf, dass das Zögern dazu dient, Strafzahlungen Deutschlands zu vermeiden.“
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