Brüssel zieht die Reißleine
Ungarn hat den Anspruch auf EU-Fördermittel in Höhe von 1,04 Milliarden Euro verloren. Die Gelder, die ursprünglich für strukturschwache Regionen vorgesehen waren, waren bereits Ende 2022 eingefroren worden.
Der Grund: Brüssel war überzeugt, dass die Regierung von Viktor Orbán zentrale EU-Werte und Standards missachtet – insbesondere im Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung.
„Ungarn hat es versäumt, die notwendigen Reformen umzusetzen“, erklärte eine Sprecherin der Europäischen Kommission. Zu den geforderten Änderungen gehörten etwa strengere Gesetze zur Vermeidung von Interessenkonflikten und eine effektivere Korruptionsbekämpfung.
„Politisch motivierte Entscheidung“ – Orbáns Gegenangriff
Die Reaktion aus Budapest ließ nicht lange auf sich warten. „Brüssel will die Gelder, die den ungarischen Menschen zustehen, aus politischen Gründen wegnehmen“, schrieb Europas-Minister János Boka auf Facebook. Die ungarische Regierung bestehe darauf, alle Anforderungen erfüllt zu haben.
Doch die Realität sieht anders aus. Bereits in der Vergangenheit wurden Mittel freigegeben, obwohl zahlreiche EU-Abgeordnete – darunter auch solche aus Deutschland – darauf hingewiesen hatten, dass die Rechtsstaatlichkeitsdefizite in Ungarn fortbestehen.
China springt ein – aber zu welchem Preis?
Um die Finanzierungslücken zu schließen, hat Orbáns Regierung verstärkt auf China als Kreditgeber gesetzt. Im Frühjahr 2024 sicherte sich Ungarn ein Darlehen von einer Milliarde Euro bei chinesischen Staatsbanken.
Details wie Zinssätze und Tilgungsmodalitäten wurden jedoch nicht offengelegt, was Kritik an der Intransparenz des Deals hervorgerufen hat.
China nutzt die Gelegenheit, um seine wirtschaftlichen Interessen in Ungarn auszubauen. Große Projekte wie eine Batteriefabrik von CATL und der Bau der Bahnstrecke Budapest-Belgrad sind emblematisch für die wachsende chinesische Präsenz.
Lesen Sie auch:
Orbán erhöht den Druck
Trotz der chinesischen Unterstützung bleibt Orbán hartnäckig: Aktuell sind insgesamt rund 19 Milliarden Euro an EU-Mitteln für Ungarn blockiert, darunter auch Corona-Hilfen. Um diese Gelder freizubekommen, hat Orbán mehrfach mit Blockaden zentraler EU-Entscheidungen gedroht.
Zuletzt verweigerte er seine Zustimmung zur Verlängerung der Russland-Sanktionen, was diplomatisch als Erpressungsversuch gewertet wurde. Auch ein Veto gegen den nächsten EU-Haushalt ab 2028 ist nicht ausgeschlossen, falls Brüssel die eingefrorenen Gelder nicht freigibt.
Wie geht es weiter?
Die Entscheidung der EU, die Fördermittel zu streichen, zeigt, dass Brüssel langsam Konsequenzen zieht. Doch das Spiel ist noch nicht zu Ende: Orbán setzt weiterhin auf Konfrontation und hofft, über politische Manöver Zugeständnisse zu erzwingen.
Für die EU bleibt die Herausforderung bestehen, wie sie mit Mitgliedstaaten umgehen soll, die ihre Werte und Standards bewusst ignorieren.