Ein Standortbekenntnis – und ein politisches Signal
Novartis investiert – und zwar gewaltig. In den kommenden fünf Jahren will der Basler Konzern 23 Milliarden US-Dollar in den Ausbau seiner Aktivitäten in den Vereinigten Staaten stecken.
Es geht um neue Forschungszentren, moderne Produktionsanlagen und die technologische Komplettausstattung für Radioligandentherapien. Aber es geht auch um geopolitisches Risikomanagement und industriepolitische Realitäten: Wer im US-Markt langfristig bestehen will, muss lokal liefern – nicht nur regulatorisch, sondern auch physisch.

Mit dem neuen Forschungszentrum in San Diego, das 2028 oder 2029 in Betrieb gehen soll, setzt Novartis ein Ausrufezeichen. Es wird das zweite dieser Art in den USA – neben Cambridge, Massachusetts.
Parallel entstehen vier neue Fertigungsanlagen, dazu zwei weitere Standorte speziell für Radiopharmazeutika in Florida und Texas. Bestehende RLT-Produktionsstätten in New Jersey, Indiana und Kalifornien werden massiv ausgebaut.
Made in USA – nicht nur aus Patriotismus
Novartis verfolgt damit ein klares Ziel: Die komplette Lieferkette für zentrale Medikamente soll künftig in den USA abgebildet werden können. Das bedeutet nicht nur Produktionssicherheit, sondern auch politische Anschlussfähigkeit – in einem Umfeld, in dem Gesundheitsversorgung zunehmend als Teil nationaler Souveränität verstanden wird.
Die geplanten Kapazitäten sollen es ermöglichen, 100 Prozent der wichtigsten Präparate künftig im Inland herzustellen. Das betrifft sowohl Biologika und Wirkstoffe als auch Verpackung und Gerätemontage.
Ein strategischer Schritt, der nicht nur für das US-Geschäft relevant ist – sondern auch als Blaupause für andere Märkte dienen könnte.
Wachstum durch Nähe zum Patienten – und zur Regulierungsbehörde
Die Vereinigten Staaten sind der mit Abstand größte Pharmamarkt der Welt. Rund 40 Prozent aller Arzneimittelausgaben entfallen auf die USA. Doch dieser Markt ist nicht nur wirtschaftlich attraktiv, sondern auch politisch zunehmend anspruchsvoll.
Der Inflation Reduction Act (IRA), Preisregulierungstendenzen und die wachsende Rolle von Medicaid und Medicare erhöhen den Druck auf internationale Anbieter.
Mit lokalen Investitionen kann Novartis regulatorische Risiken abfedern, Produktionsflexibilität gewinnen – und sich Zugang zu den größten privaten und öffentlichen Abnehmern sichern.
Gleichzeitig ermöglicht der US-Ausbau eine engere Verzahnung von klinischer Forschung, Patientenversorgung und Marktzugang – ein Vorteil, den europäische Standorte selten bieten können.

Forschung dort, wo Kapital und Know-how sitzen
San Diego gehört – wie Boston oder die Bay Area – zu den globalen Zentren biopharmazeutischer Forschung. Start-ups, akademische Institute, Risikokapital und Big Pharma treffen hier aufeinander. Dass Novartis sich mit einem Milliardenprojekt dort engagiert, ist kein Zufall. Der Konzern braucht Zugang zu Talenten, zu Ökosystemen und zu Geschwindigkeit.
Zugleich stärkt der neue Campus die Position von Novartis in Schlüsseltechnologien: Radioligandentherapien, personalisierte Onkologie und Biologika stehen im Fokus. Die Investition ist deshalb auch als Portfolio-Wette zu lesen – auf jene Therapiebereiche, in denen das Unternehmen heute global führend ist und morgen dominieren will.
Ein Seitenblick auf Europa – und was fehlt
Während in den USA Produktionsstandorte wachsen, Investitionssummen steigen und regulatorische Prozesse beschleunigt werden, bleibt Europa strukturell im Hintertreffen. Die europäische Industriepolitik spricht gern von Resilienz und Souveränität – doch im Vergleich zu den USA fehlt es häufig an strategischer Entschlossenheit, an Investitionsanreizen und an realer Planungssicherheit.
Für Novartis ist die Botschaft klar: Wo Politik Standorttreue belohnt und technologische Entwicklung forciert, dort wird investiert. Der Konzern zieht damit eine Linie – nicht gegen Europa, aber deutlich in Richtung USA.
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