07. Oktober, 2024

Wirtschaft

Mileis Kurswechsel: Vom Westen enttäuscht

Javier Milei, Argentiniens libertärer Präsident, versprach Reformen und wirtschaftlichen Aufschwung. Doch der Druck wächst, und Milei wendet sich überraschend an China – das Land, das er einst als ideologischen Feind bezeichnete.

Mileis Kurswechsel: Vom Westen enttäuscht
Der Sparkurs des Präsidenten hat die Armutsquote auf über 54 Prozent getrieben, während soziale Spannungen in Argentinien zunehmen und Proteste gegen die Kürzungspolitik anhalten.

Javier Milei, Argentiniens radikaler Reformer und libertärer Präsident, steht unter immensem Druck. Seine wirtschaftlichen Reformen, die das hochverschuldete Argentinien auf einen neuen Kurs bringen sollen, haben bislang eher Kollateralschäden hinterlassen.

Über 54 Prozent der Bevölkerung leben in Armut, und die Kürzungen im öffentlichen Sektor stoßen auf heftigen Widerstand. Zuletzt gingen über 270.000 Menschen gegen Mileis Maßnahmen auf die Straße. Auch seine Zustimmungswerte sanken erstmals unter 50 Prozent.

Inmitten dieser Krise überraschte Milei mit einer spektakulären Ankündigung: Er will sich China annähern. Das ist bemerkenswert, da Milei während seiner Wahlkampagne klar gegen „kommunistische Regime“ Stellung bezogen und China als Bedrohung dargestellt hatte.

Doch nun scheint er pragmatische Gründe für diesen Richtungswechsel zu finden: „China ist ein interessanter Handelspartner, weil sie nur wollen, dass man sie in Ruhe lässt“, sagte er kürzlich.

Reformstau und Hoffnung auf Investitionen

Mileis innenpolitische Herausforderungen haben sich in den vergangenen Monaten zugespitzt. Trotz seines radikalen Sparkurses konnte er keinen nennenswerten wirtschaftlichen Durchbruch erzielen.

Trotz seiner früheren scharfen Kritik an „kommunistischen Regimen“ sieht sich Milei gezwungen, auf China zu setzen – eine riskante Strategie, die Argentinien neue wirtschaftliche Abhängigkeiten schaffen könnte.

Die internationale Investitionsbereitschaft, auf die Milei gesetzt hatte, blieb aus. Besonders enttäuschend ist die Zurückhaltung westlicher Staaten und Unternehmen. Nun scheint Milei gezwungen, auf China als potenziellen Partner zu setzen, um seine ambitionierten Pläne zur Rettung der Wirtschaft zu finanzieren.

Für Milei ist dies ein riskanter Schritt. Der Präsident hatte sich stets als Verteidiger westlicher Werte und Freihandelspolitik inszeniert. Doch die Realpolitik und der Druck, schnelle Ergebnisse zu liefern, treiben ihn in die Arme Pekings.

Für viele Argentinier ist diese Entscheidung ein Schock. Noch während des Wahlkampfs hatte Milei im Interview mit US-Journalist Tucker Carlson erklärt: „Ich werde keine Geschäfte mit China machen.“

Widerspruch oder pragmatischer Realismus?

Doch Experten sehen Mileis Entscheidung differenzierter. Der Ökonom Philip Bagus, der Mileis Freihandelspolitik unterstützt, sagt, es sei kein echter Widerspruch. „Milei ist ein Verfechter des freien Handels. Argentinier sind frei, mit China zu handeln.“

Was sich jedoch verändert habe, sei Mileis Verständnis von Chinas Rolle als Handelspartner. Der Präsident habe offenbar erkannt, dass die Chinesen in der internationalen Handelspolitik pragmatisch vorgehen und nicht wie der Westen politische Bedingungen an wirtschaftliche Beziehungen knüpfen.

Auch Hans-Dieter Holtzmann von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Buenos Aires sieht Mileis Wendung realistisch. „Es ist ein knallharter Kulturkampf, den er gegen den Sozialismus führt. Doch gleichzeitig ist China als Kapitalgeber und wirtschaftlicher Partner zu wichtig, um ignoriert zu werden.“

Milei verspricht für 2025 einen „Erdrutschsieg“, doch bislang bleibt der erhoffte wirtschaftliche Durchbruch aus. Der Internationale Währungsfonds zeigt sich besorgt über die soziale Lage in Argentinien.

Derzeit scheint Milei zwischen seinen Überzeugungen und den wirtschaftlichen Notwendigkeiten seines Landes hin- und hergerissen zu sein.

Ein Versprechen für 2025

Die soziale und wirtschaftliche Lage ist in Argentinien angespannt, doch Milei scheint die Hoffnung nicht aufzugeben. In einer Rede vor seinen Anhängern versprach er kürzlich: „Von nun an wird es nur noch gute Nachrichten geben.“ 2025, so sagte er, werde er einen „Erdrutschsieg“ feiern.

Doch um dieses Versprechen zu halten, braucht es mehr als Worte – es braucht wirtschaftlichen Erfolg.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) spricht zwar von „Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung“, ist jedoch gleichzeitig besorgt über die soziale Lage im Land. Die Armutsquote bleibt hoch, auch wenn erste Quartalsdaten einen leichten Rückgang verzeichnen.

US-Banken wie J.P. Morgan haben ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum Argentiniens auf vier Prozent im dritten Quartal angehoben – ein positives Zeichen, das jedoch nicht die realen Probleme vor Ort löst.

Mileis Schocktherapie, die das Land durch massive Kürzungen und Deregulierungen „heilen“ soll, bleibt umstritten. Der Druck, schnelle Fortschritte zu zeigen, wächst. Doch Milei setzt auf eine Kehrtwende: Der Präsident plant, den argentinischen Exportmarkt zu erweitern und in China einen verlässlichen Partner zu finden.

Chinas Einfluss wächst

Sollten die westlichen Staaten weiterhin zögern, könnte Argentinien gezwungen sein, sich stärker in Richtung Osten zu orientieren. Der Einfluss Chinas auf den lateinamerikanischen Kontinent wächst stetig. Für Argentinien könnte dies kurzfristig Stabilität bringen, langfristig aber auch Abhängigkeiten schaffen.

Der bevorstehende G20-Gipfel in Rio de Janeiro könnte dabei eine entscheidende Rolle spielen. Wenn es gelingt, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Mercosur-Bündnis abzuschließen, könnte das positive Signale für Argentiniens Wirtschaft setzen. Sollte dieser Deal jedoch scheitern, dürfte Milei noch stärker auf China setzen müssen.