07. November, 2024

Immobilien

Mietpreisbremse in Kalifornien? Europa als Vorbild gegen die Obdachlosigkeit

Volksentscheid gegen Mietenwahnsinn und Obdachlosigkeit: Kalifornien diskutiert eine Mietpreisbremse, die Vorbilder in Europa findet – und von einer millionenschweren Gegenkampagne attackiert wird.

Mietpreisbremse in Kalifornien? Europa als Vorbild gegen die Obdachlosigkeit
Mit über 50 Prozent Aufschlag im Vergleich zum US-Durchschnitt sind Kaliforniens Mietpreise unerreichbar für viele – die Obdachlosigkeit ist auf einem Höchststand.

Im kalifornischen Kampf gegen explodierende Mieten und wachsende Obdachlosigkeit richten sich alle Augen auf den kommenden Volksentscheid zur Mietpreisbremse. Proposition 33 – so der Name der geplanten Maßnahme – will Kalifornien den Weg ebnen, die Mieten durch stärkere Kontrollen in den Griff zu bekommen.

Der Staat kämpft seit Jahren mit immer weiter steigenden Mietpreisen und einer dramatischen Zunahme von Menschen ohne festen Wohnsitz. Unterstützt wird die Initiative von der Aidshilfe Los Angeles und ihrem Präsidenten Michael Weinstein, die in der Mietpreisbremse einen notwendigen Schritt zur Rettung der Wohnsituation sehen.

„Kalifornien ist in einer doppelten Krise: Die hohen Mieten treiben Menschen in die Armut, und immer mehr Menschen enden auf der Straße. Wir brauchen jetzt Maßnahmen, die effektiv helfen,“ erklärt Weinstein.

Sein Vorhaben stößt bei den Unterstützern auf offene Ohren. Doch die Immobilienwirtschaft hat ihre eigene Kampagne gestartet – und greift dabei zu teils fragwürdigen Mitteln.

Kalifornien in der Mietkrise – Eine Volksabstimmung zur Rettung?

Ein kurzer Blick auf die Zahlen verdeutlicht das Problem: 17 Millionen Kalifornier leben in Mietverhältnissen, häufig zu überhöhten Preisen. Die durchschnittliche Miete liegt etwa 50 Prozent über dem nationalen US-Durchschnitt, und in den großen Städten wie Los Angeles und San Francisco gehören Zeltstädte längst zum Stadtbild.

Rund 180.000 Menschen leben auf der Straße, während der Wohnungsmarkt durch hohe Mieten für viele unerreichbar bleibt.

Kalifornien zählt landesweit die höchste Zahl an Obdachlosen – etwa 180.000 Menschen leben ohne festen Wohnsitz, viele von ihnen in selbst errichteten Notunterkünften.

„Die Belastung durch die Wohnkosten ist einfach zu hoch, und das erfordert schnelles Handeln,“ so Weinstein. Konkret sieht Proposition 33 vor, dass Kommunen Mietobergrenzen festlegen können. Dies würde das seit 1995 geltende kalifornische Mietgesetz erweitern, das aktuell strenge Vorgaben für Mietpreisbegrenzungen vorsieht.

Der Entwurf der Aidshilfe soll jedoch vor allem Städten und Gemeinden die Freiheit geben, eigene Regelungen zur Mietenkontrolle zu schaffen – bisher sind diese nach dem Baujahr und Art der Immobilie beschränkt.

„Das ist der richtige Weg,“ argumentiert Weinstein, der Europa als Vorbild nennt: „Die Niederlande zeigen, wie eine umfassende Mietkontrolle Lebensqualität sicherstellen kann.“

Dort seien rund 96 Prozent der Mietwohnungen preisreguliert, ohne dass die Bautätigkeit darunter leide. Auch die US-Ostküste, etwa New York, zeige, dass strenge Mietregeln den Neubau nicht behinderten. „Das Gegenteil ist der Fall – selbst in New York, mit dem strengsten Mietrecht des Landes, wird weiter fleißig gebaut.“

Viele Kalifornier geben über 40 Prozent ihres Einkommens für Wohnkosten aus – eine Belastung, die immer mehr Haushalte an den Rand des Ruins bringt.

Die Immobilienlobby schlägt zurück

Dass die Immobilienwirtschaft wenig Interesse an einer Mietpreisbremse hat, wird am Millionenbudget der Gegenkampagne deutlich. Rund 124 Millionen Dollar fließen in die Kampagne gegen die Volksinitiative, fast dreimal mehr als die Mittel der Befürworter. Unterstützt wird die Gegenkampagne vor allem von den großen Immobilienentwicklern und Verbänden.

In der öffentlichen Diskussion werden jedoch kleinere Vermieter als Stimme der Gegner angeführt. Sie argumentieren, dass eine Begrenzung der Mieten dazu führen würde, dass ihre Investitionen gefährdet und Immobilien schlechter instandgehalten würden.

„Wenn ich als kleiner Vermieter nicht die Möglichkeit habe, die Miete regelmäßig anzupassen, wird die Pflege der Immobilie bald unerschwinglich,“ erklärt ein Vermieter aus Long Beach auf der Kampagnenwebseite der Gegner.

Die Gefahr, dass Vermieter sich aus dem Markt zurückziehen und Mietwohnungen in Eigentum verwandeln, gilt ebenfalls als eines der Hauptargumente gegen die Initiative.

Doch Weinstein sieht in diesen Argumenten eine Nebelkerze: „Die Zahlen belegen, dass in den meisten Städten mit Mietpreisbindung weiterhin gebaut wird. Das Beispiel der Niederlande und der Ostküste der USA zeigt, dass Bautätigkeit und Mietregulierung sich nicht ausschließen.“


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Gegenschlag durch „Proposition 34“ – ein vergifteter Gegenvorschlag?

Die Immobilienwirtschaft geht dabei nicht nur mit Argumenten gegen Weinstein vor. Parallel zur Mietpreisbremse steht mit „Proposition 34“ eine zweite Abstimmung zur Wahl. Offiziell soll die Initiative die Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente senken, indem gemeinnützigen Organisationen der Rabatt auf Medikamente entzogen wird.

Im Detail betrifft dies allerdings nur eine einzige Organisation: die Aidshilfe Los Angeles, die hinter der Mietpreisbremsen-Initiative steht. Sollte Proposition 34 angenommen werden, stünde die Organisation finanziell vor großen Herausforderungen.

Weinstein selbst nennt dies eine „vergiftete Reaktion der Immobilienwirtschaft“ und spricht von einem Angriff auf eine humanitäre Organisation. „Es ist bedauerlich, dass die Lobbyisten bereit sind, so weit zu gehen, nur um ihre Interessen zu schützen,“ sagt Weinstein.

Auch unabhängige Beobachter und gemeinnützige Organisationen sprechen von einem „kalkulierten Angriff“ und warnen, dass die Aidshilfe Los Angeles bei einem Erfolg von Proposition 34 ihre Sozialwohnungen wohl aufgeben müsste.

Politisches Kalkül und die Zukunft Kaliforniens

Die Mieten in Kalifornien sind ein seit Jahrzehnten ungelöstes Problem, und bisherige Versuche, durch Regulierung Entlastung zu schaffen, sind bereits mehrfach gescheitert.

Sowohl die „Los Angeles Times“ als auch andere Leitmedien raten ihren Lesern, bei der Abstimmung gegen die Mietpreisbremse zu stimmen. Doch in den Umfragen steht es diesmal denkbar knapp. Bis zum Wahltag wird die Kampagne an Fahrt gewinnen – in einem Staat, der dringend eine Lösung für seine Miet- und Obdachlosigkeitskrise braucht.