Der Software-Gigant Microsoft hat im Wettlauf um Künstliche Intelligenz einen bedeutenden Schritt nach vorne gemacht. Nach einem chaotischen Wochenende bei OpenAI, dem Entwickler von ChatGPT, hat Microsoft den ehemaligen CEO Sam Altman und weitere Mitarbeiter des Start-ups für sich gewonnen. Dieser Schachzug verschafft Microsoft nicht nur weiteren Zugang zur Technologie von OpenAI als Großinvestor, sondern bringt auch die führenden Köpfe der KI-Branche ins eigene Haus.
Wie Microsoft-Chef Satya Nadella am Montag bekannt gab, sollen Altman und die ehemaligen OpenAI-Mitarbeiter ein neues Forschungsteam bei Microsoft leiten. Bereits am Wochenende hatte Nadella vergeblich versucht, Altman zur Rückkehr auf den Chefposten bei OpenAI zu bewegen, nachdem dieser am Freitag überraschend entlassen worden war.
Nadella betonte, dass Microsoft daran arbeite, Altman und seinem Team schnellstmöglich alle nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Insbesondere dürfte es dabei um eine große Menge an Rechenleistung gehen, die moderne KI-Modelle benötigen. Hierbei kann Microsoft auf seine umfangreichen Ressourcen zurückgreifen, was einer der Gründe dafür war, dass Altman Microsoft als Investor an Bord holte. Im Gegenzug erhielt Microsoft die Erlaubnis, Technologien wie ChatGPT in seine eigenen Produkte, wie beispielsweise Office, zu integrieren und damit den Büroalltag zu revolutionieren.
Der Chatbot ChatGPT sorgte vor etwa einem Jahr für eine Welle der Begeisterung im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Tech-Riesen wie Google und der Facebook-Konzern Meta brachten hastig Konkurrenzprodukte auf den Markt. Bis Freitag sah es so aus, als sei OpenAI der klare Vorreiter, der den Takt angibt, und Microsoft war von den Entwicklungen des Start-ups abhängig.
Doch nun hat Microsoft führende Köpfe der Branche unter seinem Dach vereint, die ihr umfangreiches Wissen einbringen und eigene KI-Modelle entwickeln können. Die breite Produktpalette von Microsoft liefert dabei eine Fülle von Daten, um diese Modelle zu trainieren. Gleichzeitig hat der Konzern so viele Kunden, dass der Einsatz der KI-Technologie einen erheblichen Effekt haben kann.
Bei OpenAI wurde der Chefposten unterdessen bereits das zweite Mal innerhalb von drei Tagen neu besetzt. Zum Interimschef wurde Emmett Shear ernannt, der langjährige CEO der auf Gaming spezialisierten Streaming-Plattform Twitch. Die bisherige Technologiechefin Mira Murati, die am Freitag kommissarisch die Führung bei OpenAI übernommen hatte, hat sich inzwischen offenbar auf die Seite von Altman geschlagen. In der Nacht zum Montag veröffentlichten Murati und Dutzende andere Beschäftigte des Unternehmens eine Erklärung, in der sie betonten, dass OpenAI ohne seine Mitarbeiter nichts sei. Dies wirkte wie eine Revolte.
Medienberichten zufolge führte ein Richtungsstreit bei OpenAI zu Altmans Entlassung. Einige Führungskräfte, darunter der Technologiechef Ilya Sutskever, waren der Meinung, dass Altman die KI-Software zu schnell und mit einem zu kommerziellen Ansatz auf den Markt bringen wollte. Sie konnten die Mehrheit im Verwaltungsrat von ihrer Sichtweise überzeugen.
OpenAI wurde 2015 als Non-Profit-Organisation mit dem Ziel gegründet, Künstliche Intelligenz im Interesse aller zu entwickeln. Als klar wurde, dass die benötigten Milliardeninvestitionen nicht allein durch Spenden aufgebracht werden konnten, wurde zusätzlich ein profitorientiertes Unternehmen unter der Leitung von Altman gegründet. Dieses sicherte sich unter anderem mit Microsoft einen Investor und somit Zugang zu der benötigten Rechenleistung. Der Konflikt zwischen den beiden Ansätzen wurde jedoch immer tiefer und führt nun faktisch zur Spaltung von OpenAI - mit ungewissen Aussichten für das verbleibende Unternehmen nach dem Weggang führender Mitarbeiter. Altman wird bei Microsoft unter anderem vom weiteren Mitgründer Greg Brockman unterstützt.
Bislang gibt es keine offiziellen Informationen darüber, warum genau Altman den Chefposten verloren hat. Der Verwaltungsrat erklärte lediglich am Freitag, dass das Vertrauen in Altman aufgrund mangelnder Aufrichtigkeit in der Kommunikation mit dem Aufsichtsgremium verloren gegangen sei. Diese Formulierung ist für Pressemitteilungen dieser Art ungewöhnlich scharf. Der neue Interimschef Shear betonte lediglich nach seiner Ernennung, dass der Auslöser keine konkreten Meinungsverschiedenheiten über das angemessene Tempo bei der Einführung von KI-Software gewesen seien, sondern "völlig andere" Gründe.