16. April, 2025

Unternehmen

Microsoft räumt auf – und diesmal trifft es das Management

In Redmond steht die nächste Entlassungswelle bevor. Im Visier: Projektmanager, mittlere Führungskräfte und Nicht-Programmierer. Microsofts neue Effizienzformel zielt auf schlankere Hierarchien und mehr Code pro Kopf.

Microsoft räumt auf – und diesmal trifft es das Management
Der Konzern strebt intern ein Entwickler-zu-PM-Verhältnis von 10:1 an. Rollen ohne direkten technischen Output gelten zunehmend als verzichtbar.

Keine internen Memos, keine öffentlichen Statements – und doch ist die Botschaft klar: Bei Microsoft geht der Umbau weiter, und diesmal trifft es jene, die bislang als unantastbare Taktgeber des operativen Geschäfts galten.

Laut internen Quellen, die mit den Plänen vertraut sind, bereitet der Tech-Riese eine weitere Entlassungsrunde vor – potenziell schon im Mai.

Anders als bei früheren Kürzungen, bei denen „Low Performer“ im Mittelpunkt standen, geraten nun auch mittlere Führungsebenen und Rollen außerhalb des Codes in den Fokus.

Mehr Kontrolle mit weniger Kontrolleuren

„Span of Control“ – ein Begriff aus der Managementtheorie, der beschreibt, wie viele Mitarbeitende einer Führungskraft direkt unterstellt sind – ist plötzlich zum betriebswirtschaftlichen Mantra geworden. Weniger Manager, mehr Entwickler. Mehr Output, weniger Koordination. So lautet das neue Paradigma in Redmond.

Interne Quellen berichten von gezielten Diskussionen über die Reduktion sogenannter „PM-Ratios“. Gemeint ist das Verhältnis von Produkt- oder Projektmanagern zu Softwareentwicklern – eine Metrik, die vor allem Charlie Bell, Chef der Sicherheitsdivision bei Microsoft und früherer Amazon-Manager, konsequent in den Fokus rückt.

Bell strebt in seinem Bereich ein Verhältnis von zehn Entwicklern auf einen Produktmanager an. Derzeit liegt es bei rund 5,5 zu 1.

Das Ende des Projektmanagement-Zeitalters?

Die Zeiten, in denen Unternehmen breite Management-Pyramiden und kleinteilige Projektteams unterhielten, scheinen vorbei. Nicht nur bei Microsoft: Auch Google und Amazon haben in den letzten Monaten systematisch Führungspositionen ausgedünnt.

Google kappte laut CEO Sundar Pichai rund zehn Prozent der Manager- und VP-Rollen. Amazon verfolgt seit Jahren das Ziel, die Zahl der „Builder“ – also derjenigen, die tatsächlich Software entwickeln – gegenüber den „Nicht-Buildern“ zu erhöhen.

Das interne Bewertungssystem „ManageRewards Slider“ bestimmt über Karrieren und Kündigungen. Transparenz? Fehlanzeige.

Dass Microsoft nun denselben Kurs einschlägt, ist kein Zufall, sondern Ausdruck eines größeren Branchentrends: Nach Jahren des hyperagilen Projektmanagements und endloser Meeting-Schleifen kehrt die Branche zurück zur technischen Substanz.

Wer nicht programmiert, wird zur Kostenstelle. Eine Haltung, die intern wie extern aufhorchen lässt – und zunehmend Unruhe in der mittleren Führungsschicht stiftet.

Leistung, Leistung, Leistung

Parallel dazu bleibt Microsoft bei seiner Performance-Logik kompromisslos. Bereits Anfang des Jahres mussten rund 2.000 Mitarbeitende das Unternehmen verlassen – sie galten laut internen Bewertungen als „Low Performer“.

Bewertet wird bei Microsoft auf einer Skala von 0 bis 200. Wer zwei Jahre in Folge unter dem „Impact 80“-Wert bleibt, muss mit Konsequenzen rechnen – weniger Aktienoptionen, geringere Boni, und in vielen Fällen: den Jobverlust.

Dieses Bewertungssystem, bekannt als „ManageRewards Slider“, ist dabei mehr als nur eine Zahlenspielerei. Es entscheidet über Aufstieg oder Ausstieg – und könnte bei der kommenden Entlassungsrunde wieder eine zentrale Rolle spielen. Wer nicht liefert, fliegt. So einfach – und so brutal – scheint das neue Dogma zu sein.

Ein Kurswechsel mit Risiken

Was nach betriebswirtschaftlicher Rationalisierung klingt, birgt auch strategische Risiken. Denn nicht alles, was sich nicht direkt in Codezeilen messen lässt, ist entbehrlich. Produktmanager koordinieren, priorisieren, kommunizieren – sie übersetzen Marktanforderungen in technische Aufgaben.

Ohne sie droht selbst die beste Entwicklungsabteilung ins Leere zu programmieren. Die Frage ist also nicht nur, wie viele PMs ein Team verträgt – sondern wie wenige es sich leisten kann.


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Gleichzeitig wird klar: Die Toleranz für ineffiziente Strukturen in den Tech-Konzernen sinkt rapide. Die Ära der endlosen Wachstumsversprechen ist vorbei, Investoren verlangen heute Effizienz, Margen, Skalierung.

Microsoft, das unter CEO Satya Nadella ohnehin schon einen der radikalsten Kulturwandel der Tech-Branche vollzogen hat, zeigt erneut, dass es bereit ist, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen.

Kulturwandel mit Kollateralschäden

Intern wird der Umbau bereits spürbar. Teams werden neu aufgestellt, Aufgaben verdichtet, Hierarchien flacher. Manche Manager berichten, dass sie künftig doppelt so viele Mitarbeitende betreuen sollen wie bisher – ohne zusätzliche Ressourcen. Andere sorgen sich um die Innovationskraft: Wer nur noch auf Code starrt, übersieht womöglich die größeren strategischen Linien.

Und genau hier liegt der entscheidende Punkt: Microsofts Neuausrichtung ist nicht nur eine Frage der Struktur, sondern eine Frage der Kultur. Weniger Meetings, weniger Abstimmungen, mehr Verantwortung für einzelne Entwickler – das klingt gut, solange das System nicht an seiner eigenen Radikalität erstickt.

Was bleibt, ist Unsicherheit

Noch ist unklar, wie viele Stellen Microsoft am Ende streichen wird. Auch ob bestimmte Abteilungen stärker betroffen sein werden, bleibt Spekulation. Doch das Signal ist eindeutig: Die Schonzeit ist vorbei. Wer nicht sichtbar Wert schafft – im besten Fall mit Code – läuft Gefahr, auf der Strecke zu bleiben.

Für eine Branche, die einst mit bunten Kickertischen und flachen Hierarchien warb, markiert dieser Kurs einen harten Bruch. Die Zeit der Wohlfühlstrukturen ist vorbei. Willkommen im Zeitalter der Technokratie.