Ganz ohne Danksagung an Präsident Emmanuel Macron trat der neue französische Premierminister Michel Barnier sein Amt an. Bereits mit seinen ersten Worten unterstrich Barnier seine Unabhängigkeit und positionierte sich als eigenständige Führungspersönlichkeit. Der 73-jährige Pragmatiker aus der Mitte-Rechts-Partei ließ es in seinen Ausführungen nicht an Klarheit mangeln. "Wir werden mit Sicherheit mehr handeln als reden", verkündete Barnier, womit er augenscheinlich den redseligen Präsidenten ins Visier nahm. Zudem betonte er, dass Weisheit oft von den ärmsten und bescheidensten Mitgliedern der Gesellschaft komme – vorausgesetzt, man höre ihnen zu. Diese Worte könnten kaum deutlicher auf einen entfernten Macron abzielen, der oftmals beratungsresistent und abweisend gegenüber den Bedürftigen wirkt. Barnier sprach von einem Moment der "Ruptur". Ein Bruch mit der Vergangenheit, die Rückkehr der alten französischen Garde, die auf der politischen Bühne verdrängt wurde, als der aufstrebende Macron 2017 triumphierte. Dieser Bruch kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die wirtschaftliche, soziale und politische Krise Frankreich vor große Herausforderungen stellt, die selbst der Ruhm der Pariser Olympischen Spiele nicht überstrahlen kann. In den sieben Jahren seiner Amtszeit hat Macron, 46, ein solches Verhalten von Premierministern niemals geduldet oder gar erlebt. Sie schienen oft nicht viel mehr als seine gefügigen Spielgefährten zu sein. Doch mit knapp drei Jahren verbleibender Amtszeit ist Macron geschwächt. Seine Partei ist nicht mehr die größte im zersplitterten Parlament, seine Popularität ist gesunken und seine Urteilsfähigkeit wird infrage gestellt.