Kalter Start für ein heißes Wahlkampfthema
Friedrich Merz wollte mit einem außenpolitischen Paukenschlag in die Koalitionsverhandlungen ziehen – so zumindest die Erzählung aus CDU-Kreisen.
Der Parteichef soll sich laut Medienberichten persönlich um bilaterale Abkommen zur Zurückweisung von Migranten an deutschen Grenzen bemüht haben. Insbesondere mit der Schweiz, einem der Schlüsselländer bei der Migrationsroute durch Mitteleuropa.
Doch was in deutschen Medien als diplomatischer Coup verkauft wurde, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als PR-Konstruktion mit kurzer Halbwertszeit.
Die Schweizer Behörden dementierten gegenüber der Zeitung Blick unmissverständlich: Es gebe keine Gespräche mit Friedrich Merz, keine Kontakte mit dem Staatssekretariat für Migration – und auch die Schweizer Botschaft in Berlin weiß von nichts.
Ein Alleingang ohne Echo
Die Enthüllung wiegt schwer. Denn die CDU hatte gegenüber Journalisten suggeriert, Merz befinde sich bereits in konkreten Abstimmungen mit europäischen Partnern.
Das Ziel: Grenzabweisungen selbst bei laufenden Asylgesuchen durchzusetzen – ein Schritt, der das europäische Asylrecht direkt berühren würde. Doch nun stellt sich heraus: Merz spricht offenbar mit sich selbst.
Besonders pikant: Der eigene Koalitionsvertrag, den CDU und SPD derzeit verhandeln, enthält eine Formulierung, die genau solche Zurückweisungen nur „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ vorsieht.
Die SPD legt das wörtlich aus – ohne Zustimmung der Nachbarländer keine Grenzschließung. Die Union hingegen behauptet, man müsse lediglich informieren, nicht konsultieren.
Ein semantischer Streit mit politischer Sprengkraft.

Unklarheiten statt Klarheit
Das CDU-Lager schweigt auffällig, wenn es um konkrete Gesprächspartner in der Schweiz geht. Die Sprecherin der Partei blieb gegenüber der Blick-Redaktion vage – und ließ offen, ob Merz überhaupt einen offiziellen Ansprechpartner kontaktiert hat. Diplomatisch wirkt das nicht. Eher wie ein hastig gestrickter Versuch, innenpolitisches Durchsetzungsvermögen mit außenpolitischer Aktivität zu simulieren.
Dabei ist das Thema Migration nach wie vor eines der brisantesten in der deutschen Politik – nicht zuletzt wegen der teils eskalierenden Stimmung in Grenzregionen wie Bayern oder Sachsen. Doch während Merz innenpolitisch Härte demonstriert, scheint auf europäischer Bühne niemand mitzuspielen.
Zurückweisung ohne Rückhalt
Die rechtliche Grundlage für das, was die CDU plant, ist dünn. Die Schweiz pocht auf geltende Abkommen – insbesondere die Dublin-Verordnung, die eine Rückführung nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt.
Einseitige Zurückweisungen wären rechtlich heikel und politisch riskant. Dass sich der neue Migrationsminister Beat Jans ausgerechnet jetzt auf ein Sonderabkommen mit Deutschland einlassen sollte, halten Schweizer Medien für unwahrscheinlich.
Zumal der frühere Basler Regierungspräsident politisch aus einem anderen Holz geschnitzt ist als Friedrich Merz. Seine Linie: europäisch, humanitär – nicht nationalkonservativ und konfrontativ.
Wahlkampfmodus statt Realpolitik
Am Ende bleibt der Eindruck eines politischen Manövers mit kurzer Laufzeit. Merz präsentiert sich als Problemlöser, doch der diplomatische Unterbau fehlt. Die Geschichte von den angeblichen Gesprächen mit der Schweiz wirkt wie ein Puzzlestück in einem größeren Kommunikationsdesign – entworfen für die Schlagzeile, nicht für die Wirklichkeit.
Für einen Kanzlerkandidaten, der sich auf außenpolitisches Parkett wagt, ist das ein riskanter Fehltritt. Denn wer Verantwortung beansprucht, muss sie auch tragen – nicht nur behaupten.
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