16. April, 2025

Finanzen

Merz bringt Steuererhöhungen ins Spiel

Im ARD-Interview deutet der designierte Kanzler erstmals an, dass Steuererhöhungen kein Tabu mehr sind. Der Koalitionsvertrag sagt anderes – doch Merz nennt globale Unsicherheiten als Vorwand. Ein Signal, das Wähler wie Wirtschaft irritiert.

Merz bringt Steuererhöhungen ins Spiel
Noch im Wahlkampf versprach Merz Entlastungen für Bürger und Unternehmen – jetzt schließt er Steuererhöhungen plötzlich nicht mehr aus.

Vertrauen verspielt, bevor es beginnt

Friedrich Merz ist noch nicht vereidigt – und schon wackelt das erste zentrale Wahlversprechen. In der ARD-Talkshow mit Caren Miosga schloss der CDU-Chef am Sonntagabend Steuererhöhungen plötzlich nicht mehr kategorisch aus.

„Man soll nie ‚nie‘ sagen“, so Merz.

Eine Ausrede, garniert mit dem Verweis auf weltpolitische Unwägbarkeiten. Die Botschaft an Wähler und Wirtschaft: Alles ist denkbar – selbst das Gegenteil von dem, was noch vor Wochen versprochen wurde.

Steuerpolitik im Koalitionsnebel

Im Koalitionsvertrag mit der SPD steht von Steuererhöhungen nichts. Im Gegenteil: Die Union hatte im Wahlkampf eine Senkung der Einkommensteuer, die Abschaffung des Soli und Entlastungen für Unternehmen versprochen. Und doch deutet sich jetzt ein Kurswechsel an – zumindest rhetorisch.

Als SPD-Chefin Saskia Esken eine Besteuerung hoher Vermögen ins Spiel bringt, widerspricht Merz nur halbherzig: Eine „Meinungsverschiedenheit“, sagt er, keine rote Linie.

Dabei sind die geplanten steuerpolitischen Entlastungen ohnehin dünn. Die angekündigte Senkung der Körperschaftsteuer? Soll frühestens 2028 kommen – und dann auch nur um einen Prozentpunkt. Ein symbolischer Akt, mehr nicht.

Wirtschaft reagiert empört – Merz kontert mit Überheblichkeit

Die Reaktion der Verbände fiel eindeutig aus: Unverständnis, Kritik, Kopfschütteln. Der Koalitionsvertrag sei „widersprüchlich und enttäuschend“, urteilte ein Branchenverband.

Merz wischt das in der Sendung beiläufig beiseite – man habe eben „zu spontan“ reagiert, die Kritiker hätten das Papier „nicht genau genug gelesen“. Ein Satz, der klingt wie aus der Parallelwelt eines Politikers, der nicht realisiert, dass seine Glaubwürdigkeit längst angeschlagen ist.

Noch im Wahlkampf versprach Merz Entlastungen für Bürger und Unternehmen – jetzt schließt er Steuererhöhungen plötzlich nicht mehr aus.

Denn in Umfragen liegt die CDU nicht mehr stabil vor der AfD. Merz ist aktuell der unbeliebteste designierte Kanzler der Bundesrepublik. Und das, obwohl er noch gar nicht regiert. Ein Start mit Hypothek.

Widersprüche statt Klartext

Die ganze Sendung wirkt wie ein Spiegel der Merz’schen Regierungsstrategie: vage Andeutungen, schwammige Aussagen, und immer wieder Rückzieher in letzter Minute. So auch beim Thema Migration.

Dort verteidigt Merz den Koalitionsvertrag mit dem Hinweis auf angeblich harte Regeln – verschweigt aber, dass diese unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Nachbarstaaten stehen. Oder bei der Energiepolitik: Keine Rückkehr zur Kernkraft, weil die SPD das nicht wolle. Verantwortung? Abgegeben.

Selbst sein Auftritt wirkt kraftlos. Merz klagt über Erschöpfung, kündigt erst einmal Urlaub an – kurz nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen. Politische Führung sieht anders aus.

Ein Kanzler mit Rückspiegel

Der einzige Moment echter Emotion kommt, als Caren Miosga ihn auf ein Lob von Angela Merkel anspricht. Die hatte erklärt, Merz verfolge in der Migrationspolitik nun endlich das, was sie früher gewollt habe.

Merz kontert sichtlich angefasst – und verweist auf angeblich ignorierte Ministeriumsvermerke aus dem Jahr 2017. Ein kleiner Schlag gegen seine Vorgängerin. Und ein Versuch, sich von der Vergangenheit abzusetzen, der eher wie ein Schattenboxen wirkt.

Politischer Spagat ohne Netz

Friedrich Merz will das Land modernisieren, digitalisieren, wirtschaftlich stärken. Doch der Start seiner Amtszeit steht unter dem Zeichen der Unklarheit.

Gerade die wirtschaftspolitischen Eckpfeiler – Steuerpolitik, Energieversorgung, Investitionsklima – sind nicht klar definiert, sondern voller Konjunktive. Eine klare Vision für das Land? Fehlanzeige. Stattdessen: ein Kanzlerkandidat, der am Tag nach der Verhandlungspause in den Urlaub fährt.

Ein Start, der mehr Fragen aufwirft als Antworten liefert. Und der deutlich macht: Wer sich auf Wahlversprechen verlässt, steht am Ende womöglich im Regen.

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