23. November, 2024

Unternehmen

Mercedes will mit Recyclingfabrik E-Auto-Batterien retten – aber reicht das?

Mit der Eröffnung einer eigenen Batterierecycling-Fabrik betritt Mercedes-Benz neues Terrain. Der Vorstoß ist notwendig, um den steigenden Anforderungen der EU gerecht zu werden – doch die Herausforderungen sind gewaltig.

Mercedes will mit Recyclingfabrik E-Auto-Batterien retten – aber reicht das?
In der neuen Mercedes-Anlage werden über 96 % der Rohstoffe aus E-Auto-Batterien zurückgewonnen – doch bis alte Batterien in ausreichender Menge verfügbar sind, wird es noch Jahrzehnte dauern.

Mercedes-Benz nimmt den nächsten Schritt in Sachen Nachhaltigkeit – und er ist dringend nötig. Mit der neuen Batterierecycling-Anlage im badischen Kuppenheim will der Automobilkonzern nicht nur die EU-Vorgaben erfüllen, sondern auch die Rohstoffknappheit entschärfen. Das Werk ist ein Meilenstein, doch der Weg dorthin war kein einfacher, und er ist noch lange nicht zu Ende.

Es war kein Zufall, dass Bundeskanzler Olaf Scholz zur Eröffnung vor Ort war.

„Diese Fabrik verbindet zwei Dinge, die die Deutschen lieben: Autos und Recycling“, scherzte er vor versammelter Presse.

Doch hinter den humorvollen Worten steckt ein ernstes Anliegen.

Die EU-Batterieverordnung zwingt die Industrie dazu, den Kreislauf zu schließen und Rohstoffe wiederzuverwenden. Mercedes ist weltweit der erste Automobilhersteller, der diesen Schritt mit einer eigenen Recyclinganlage geht.

Recycling als Schlüssel zur Zukunft

Das neue Werk von Mercedes soll es ermöglichen, über 96 Prozent der wertvollen Rohstoffe aus alten E-Auto-Batterien zurückzugewinnen. Die Metalle, darunter Kobalt, Nickel und Lithium, können so in die Produktion neuer Batterien fließen – ein geschlossener Kreislauf, der langfristig die Abhängigkeit von teuren und schwer zugänglichen Rohstoffen verringern könnte.

Doch trotz aller Lobeshymnen gibt es einen entscheidenden Haken. Die Batterien, die heute recycelt werden, stammen nicht von Fahrzeugen, die ihre Lebensdauer erreicht haben, sondern größtenteils aus Produktionsausschüssen. Es wird noch viele Jahre dauern, bis alte Batterien in nennenswerten Mengen anfallen. Experten gehen davon aus, dass die richtige Rohstoffwelle erst in den 2040er Jahren auf die Recyclinganlagen zukommt.

Hürden auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft

Die technischen Herausforderungen, die Mercedes hier angeht, sind gewaltig. Das Werk nutzt ein hydrometallurgisches Verfahren, um die Rohstoffe aus den Batterien zu extrahieren. Dieser Prozess ist energieeffizienter als das traditionelle Schmelzen in Hochöfen, benötigt aber dennoch erhebliche Ressourcen und ist technisch sehr anspruchsvoll.

Die neue Recyclingfabrik von Mercedes kann jährlich Rohstoffe für rund 50.000 Batteriemodule liefern – ein kleiner Schritt angesichts der erwarteten E-Auto-Flotte von Millionen Fahrzeugen.

Zudem bleibt das Problem, dass das Werk nur begrenzte Kapazitäten hat. Mit einer Jahresleistung von 2500 Tonnen kann die Fabrik Rohstoffe für etwa 50.000 Batteriemodule liefern. Angesichts des rasanten Wachstums der E-Mobilität ist das kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Für Mercedes-Chef Ola Källenius ist die Eröffnung dennoch ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: "Wir kommen der Kreislaufwirtschaft einen großen Schritt näher." Doch die Frage bleibt: Wird die Industrie dem Tempo von Politik und Umweltschützern folgen können? Die EU-Verordnung schreibt strikte Recycling-Quoten vor, die in den kommenden Jahren noch deutlich steigen werden.

Unsicherheit in der Industrie

In der Automobilbranche herrscht Unsicherheit. Der Hype um E-Autos hat seit dem Ende der staatlichen Kaufprämien einen Dämpfer erhalten, die Verkaufszahlen in Deutschland sind eingebrochen.

Zahlreiche Batteriezellfabriken wurden auf Eis gelegt, wie etwa die geplante Produktionsstätte von ACC, einem Joint Venture von Mercedes und Stellantis, in Kaiserslautern. Auch der Batterierecycling-Boom wird nur langsam an Fahrt gewinnen.

Während Mercedes bereits recycelt, bleibt die Konkurrenz zurück. Projekte wie das Stellantis-Recyclingwerk wurden auf Eis gelegt, während die Autoindustrie um die Zukunft der Elektromobilität ringt.

Ein Blick auf die Konkurrenz zeigt, dass nicht alle Hersteller dem Engagement von Mercedes folgen. Stellantis, der Mutterkonzern von Peugeot und Fiat, hat seine Pläne für ein Recyclingwerk vorerst gestoppt. Andere Projekte wie das des schwedischen Start-ups Northvolt kämpfen mit ähnlichen Problemen. Die Unsicherheit über die künftige Marktentwicklung hat viele Vorhaben gebremst.

Zukunft noch ungewiss

Mercedes hat sich entschieden, auf Nachhaltigkeit zu setzen – freiwillig und auch unter dem Druck der Regulierungen. Doch ob das Unternehmen seine ehrgeizigen Ziele erreicht, bleibt abzuwarten. Die Recyclingquote von über 96 Prozent ist ambitioniert, doch es wird Jahre dauern, bis diese Mengen tatsächlich umgesetzt werden können.

Für den CO₂-Fußabdruck der Elektrofahrzeuge wird das Recycling der Batterien entscheidend sein. Wiederverwendete Rohstoffe haben eine deutlich bessere Klimabilanz, und Mercedes verspricht eine nahezu CO₂-neutrale Produktion. Doch bis das Recycling von Altbatterien in großem Maßstab wirtschaftlich wird, bleibt die Zukunft der E-Mobilität in Europa mit vielen Fragezeichen versehen.

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