Die italienische Fregatte „Libra“ steuert die albanische Küste an. An Bord: 16 Migranten, die nach Albanien gebracht werden, um dort ihr Asylverfahren zu durchlaufen. Es ist der Beginn eines neuen Kapitels in der europäischen Migrationspolitik, eingeleitet von der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni.
Durch ein Abkommen mit Albanien sollen Migranten, die auf dem Mittelmeer aufgegriffen werden, künftig nicht mehr italienischen Boden betreten, sondern in albanischen Aufnahmezentren untergebracht werden.
Wir berichteten bereits:
Ein schnelleres Asylverfahren soll sicherstellen, dass Abgelehnte rasch abgeschoben werden. Doch der Plan hat gravierende Schwächen – und sorgt innerhalb der EU für Diskussionen.
Ein Deal mit Schwachstellen
Das Abkommen zwischen Italien und Albanien sieht vor, dass bis zu 3.000 Migranten monatlich in das Camp Shengjin gebracht werden. Dort werden sie identifiziert und medizinisch versorgt, bevor sie auf ihren Asylbescheid warten. Wer das Verfahren gewinnt, darf nach Italien einreisen. Wer abgelehnt wird, soll direkt aus Albanien in sein Heimatland abgeschoben werden.
Doch Experten sehen den Plan kritisch. „Die Rückführungsquote nach Afrika ist extrem niedrig, bei unter zehn Prozent“, sagt Matteo Villa, Migrationsexperte am Italienischen Institut für internationale Politikwissenschaft.
„Nur weil Migranten nach Albanien gebracht werden, heißt das nicht, dass ihre Heimatländer sie plötzlich zurücknehmen.“
Länder wie Gambia, Mali und Ghana sträuben sich weiterhin gegen die Aufnahme von Rückkehrern – eine Tatsache, die Italiens Abschiebepläne kompliziert macht.
Asylverfahren: Schnell, aber nicht effektiv
Das Ziel, Asylverfahren innerhalb von 28 Tagen abzuschließen, wirkt ambitioniert. Doch die Realitäten der Abschiebepraxis bleiben schwierig. „Es dauert oft Monate, bis eine Abschiebung organisiert ist“, erklärt Villa.
Solange Migranten nicht zurückgeführt werden können, müssen sie in den albanischen Lagern bleiben – oder am Ende doch nach Italien gebracht werden. Dieses Szenario könnte die ohnehin überlasteten Aufnahmeeinrichtungen in Italien weiter belasten.
Noch dazu handelt es sich bei den albanischen Lagern juristisch gesehen um italienisches Territorium. Italienische Behörden leiten die Verfahren, italienische Richter fällen die Entscheidungen. Die physische Verlagerung nach Albanien ist also mehr symbolisch als eine echte „Externalisierung“ der Asylpolitik.
Von der Leyen fordert eine EU-weite Lösung
Während Meloni auf bilaterale Abkommen setzt, plädiert EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine Angleichung der Asylverfahren innerhalb der EU.
„Wir müssen die Rückführung abgelehnter Asylbewerber effizienter gestalten“, forderte von der Leyen jüngst.
Sie plant, finanzielle Hebel und Visabeschränkungen einzusetzen, um Herkunftsländer zur Kooperation zu zwingen. Doch auch hier bleibt das Problem der fehlenden Identitätspapiere und des diplomatischen Widerstands der Herkunftsländer bestehen.
Lesen Sie auch:
Abschreckung als Strategie
Für Meloni steht jedoch ein anderer Aspekt im Vordergrund: Abschreckung. Die Premierministerin betont, dass die Lager in Albanien Migranten davon abhalten sollen, überhaupt die Überfahrt nach Europa zu wagen.
„Es geht darum, illegale Migranten abzuschrecken“, erklärte sie im Juni. Ob dieses Ziel erreicht wird, bleibt fraglich – denn wenn das System überlastet ist, landen die Migranten trotzdem in Italien.
Ein komplexes Rennen um die beste Lösung
Während Meloni Migranten physisch aus Italien fernhalten will, setzt von der Leyen auf diplomatischen Druck und schnellere Rückführungen. Doch beide Ansätze stoßen auf Hindernisse: Rückführungen bleiben komplex, Drittländer oft unkooperativ. Die EU bleibt vor einem großen Dilemma stehen: Der Bedarf an einer effizienten Migrationspolitik wächst, aber die Umsetzung bleibt zäh.