Die „Merkel-Steuer“ lässt grüßen
Es war eine einfache Frage – mit einer brisanten Antwort. Im letzten TV-Duell vor der Bundestagswahl wurde CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz gefragt, ob er eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ausschließen könne. Seine Antwort: „Ich möchte die Mehrwertsteuer nicht erhöhen.“
Eine klare Absage klingt anders. Als die Moderatoren nachhaken, verweist Merz auf mögliche Koalitionsverhandlungen und wiederholt lediglich seine Aussage. Damit bleibt die Tür für eine Steuererhöhung offen – je nach politischer Lage nach der Wahl.
Die Szene weckt Erinnerungen an die Bundestagswahl 2005. Damals versprach die SPD, eine Mehrwertsteuererhöhung auszuschließen. Nach der Wahl kam es anders: Union und SPD beschlossen gemeinsam eine Erhöhung – und zwar nicht um zwei, sondern gleich um drei Prozentpunkte.
Die Folge war die berüchtigte „Merkel-Steuer“, die noch Jahre später als Symbol für gebrochene Wahlversprechen galt.
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Warum Ökonomen eine Erhöhung fordern
Merz‘ Zögern kommt nicht von ungefähr. In Wirtschaftskreisen wird eine höhere Mehrwertsteuer seit Wochen diskutiert. Das Ifo-Institut hatte bereits Anfang des Jahres vorgeschlagen, den Satz von derzeit 19 auf 20 Prozent anzuheben.
Die Begründung: Höhere Verbrauchssteuern seien wirtschaftlich weniger schädlich als hohe Einkommen- oder Unternehmenssteuern. Durch eine Steuerverlagerung könnten Anreize für Arbeit erhöht und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland gestärkt werden.
Konkret schlagen die Ökonomen vor:
- Senkung der Unternehmenssteuern, um Investitionen attraktiver zu machen
- Höhere Freibeträge und niedrigere Einkommensteuersätze für mittlere und untere Einkommen
- Gegenfinanzierung durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, die weniger wachstumshemmend sei als direkte Steuern
Das Bundesfinanzministerium rechnet vor: Eine Anhebung des Mehrwertsteuersatzes um einen Punkt würde dem Staat Mehreinnahmen von knapp 16 Milliarden Euro bringen. Würde auch der ermäßigte Satz (derzeit 7 Prozent) um einen Punkt steigen, kämen weitere 3,5 Milliarden Euro hinzu.
Die Kritik: Belastung für Geringverdiener
Doch die Idee hat auch Gegner. Kritiker warnen, dass eine höhere Mehrwertsteuer vor allem Haushalte mit geringeren Einkommen trifft.
Der Grund: Während wohlhabendere Haushalte nur einen Teil ihres Einkommens für Konsum ausgeben, müssen ärmere Haushalte fast ihr gesamtes Einkommen für den Lebensunterhalt aufwenden – und zahlen dadurch proportional mehr Mehrwertsteuer.
Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) kritisiert, dass eine Steuerverlagerung nicht alle Bevölkerungsgruppen entlasten würde.
„Beschäftigte mit geringen Einkommen zahlen kaum direkte Steuern, sondern vor allem Sozialabgaben“, argumentiert Dullien. „Sie hätten von niedrigeren Einkommenssteuern kaum einen Vorteil, würden aber durch eine höhere Mehrwertsteuer stärker belastet.“
Auch Energiepreise könnten steigen, da Steuern auf Benzin und andere Verbrauchsgüter automatisch mitwachsen würden. Das würde insbesondere Familien mit mittleren und niedrigen Einkommen zusätzlich belasten.
Wirtschaft ankurbeln oder Wähler nicht verprellen?
Die CDU steht vor einer schwierigen Abwägung. Auf der einen Seite will Merz die Unternehmenssteuern senken und den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiver machen. Auf der anderen Seite ist eine Steuererhöhung – insbesondere eine Mehrwertsteuererhöhung – politisch heikel.
Im TV-Duell sprach Merz zunächst davon, dass eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes „dämpfend auf den Konsum wirken“ würde. Gleichzeitig betonte er aber, dass er die direkten Steuern für Unternehmen senken wolle. Eine direkte Verbindung stellte er nicht her – doch auch er weiß, dass Steuersenkungen finanziert werden müssen.
Falls sich Merz nach der Wahl auf Koalitionsverhandlungen mit FDP oder Grünen einlassen muss, könnte die Mehrwertsteuer als Verhandlungsmasse dienen. Eine mögliche Kompromisslösung wäre eine moderate Erhöhung der Umsatzsteuer in Kombination mit Entlastungen bei der Einkommensteuer – ein Modell, das bereits in anderen Ländern diskutiert wurde.
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