06. Oktober, 2024

Wirtschaft

Mehr Flexibilität gefragt: Großbritanniens fiskalpolitische Gratwanderung

Mehr Flexibilität gefragt: Großbritanniens fiskalpolitische Gratwanderung

Großbritanniens Finanzministerin Rachel Reeves steht vor der anspruchsvollen Herausforderung, fiskalpolitische Spielräume zu schaffen, um wirtschaftliche Ziele zu unterstützen, ohne dabei in eine Schuldenfalle zu geraten, während der erste Haushaltsplan am 30. Oktober näherrückt. Das derzeitige Hauptziel des Vereinigten Königreichs, die Schuldenquote im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt innerhalb von fünf Jahren zu senken, gilt als zu starr und könnte zu Kürzungen bei den Investitionen führen, die dringend notwendig sind, um die britische Wachstumsflaute zu überwinden.

Reeves hat sich dazu verpflichtet, die laufenden Kosten innerhalb von fünf Jahren auszugleichen, was mehr Spielraum für Investitionen über Schulden ermöglicht. Doch alleine auf zusätzliche Schulden zu setzen, um stark beanspruchte Infrastruktur zu finanzieren, ist nicht ratsam. Grundlegende Ausgaben- und Steuerentscheidungen sind ebenso erforderlich, und zusätzliche Investitionen sollten vorrangig wachstumsfördernd wirken.

Eine Möglichkeit, mehr Spielraum zu schaffen, könnte darin bestehen, die Bewertung der Investitionen stärker zu gewichten. Diese würden den wirtschaftlichen Nutzen hervorheben, welcher bei der derzeitigen Fokussierung auf Schuldenverbindlichkeiten vernachlässigt wird. Das Office for Budget Responsibility könnte seinen Fokus auf öffentliche Nettoschulden verlagern, die auch illiquide Finanzanlagen umfassen, oder auf das Nettovermögen des öffentlichen Sektors, das auch Sachanlagen wie Straßen und Schienen einbezieht.

Diese neuen Bewertungsmaßstäbe könnten zwar helfen, qualitativ hochwertige Investitionen zu priorisieren, jedoch wäre die tatsächliche Umsetzung eine Herausforderung. Kreditgeber legen Wert auf die Bedienbarkeit von Schulden, und weniger etablierte Maßstäbe könnten Bedenken auf den Märkten schüren. Reeves muss daher einen Ausgleich finden und vorsichtig agieren.

Neue bilanzielle Ziele könnten zudem gegen das Wahlversprechen der Labour-Partei verstoßen, die Schulden innerhalb von fünf Jahren zu senken. Da Reeves zudem kaum Spielraum für Steuererhöhungen hat, bleiben ihr nur begrenzte kosmetische Optionen, etwa die Definition von Schulden zu modifizieren, indem Verluste der Bank of England aus Verkäufen von Vermögenswerten ausgeschlossen werden.

Letztlich könnte ein umfassenderer Ansatz zur Bewertung der Schuldennachhaltigkeit, der herkömmliche Kennzahlen und bilanzielle Maßnahmen kombiniert, Großbritanniens wirtschaftliche Zukunft sichern. Wesentlich ist jedoch, dass Reeves das Land schrittweise von veralteten Zielvorgaben weg und hin zu einem flexibleren fiskalischen Rahmen führt.