21. November, 2024

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Mehr Angestellte, aber leere Küchen?

Die Gastronomie kämpft mit einem Problem, das auf den ersten Blick wie ein Widerspruch erscheint. Während es mehr Angestellte als je zuvor gibt, fehlt es vielen Betrieben an Personal.

Mehr Angestellte, aber leere Küchen?
Fertiggerichte statt frischer Küche: Der Einsatz von Convenience-Produkten nimmt zu, um den Mangel an qualifizierten Köchen zu kompensieren.

„Wir könnten sofort drei oder vier Köche einstellen“, sagt Kerstin Rapp-Schwan, Betreiberin der Düsseldorfer Schwan-Restaurants. „Doch qualifiziertes Personal zu finden, ist viel schwieriger als vor der Pandemie.“

Dieses Problem teilt sie mit Tausenden Gastronomen in Deutschland. Trotz steigender Mitarbeiterzahlen stehen die Restaurants vor einem nie dagewesenen Personalmangel.

Mehr Beschäftigte, weniger Betriebe – wie passt das zusammen?

Ein Blick in die Statistik zeigt: Ende 2023 gab es knapp 591.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in der Gastronomie, fast so viele wie vor der Pandemie.

Auch bei den Minijobbern gab es einen Rekord – mehr als 777.000. Trotzdem haben sich viele Restaurantbetreiber entschlossen, Öffnungszeiten zu kürzen oder ganze Tage zu schließen.

Der Grund: Es gibt weniger Betriebe, aber die, die überleben, sind oft größer und aufwendiger in der Bewirtschaftung. Besonders kleine Familienbetriebe auf dem Land mussten während der Pandemie schließen.

Doch große Ketten wie McDonald’s und L’Osteria expandieren – und das treibt den Bedarf an Mitarbeitern nach oben.

Veränderte Arbeitskultur: Die Generation Z fordert mehr Work-Life-Balance und lässt sich nicht mehr mit langen Arbeitszeiten und Überstunden abspeisen.

Abwanderung von erfahrenen Kräften

Viele erfahrene Mitarbeiter haben die Branche während der Pandemie verlassen – und kehren nicht zurück. Die Gründe: bessere Arbeitsbedingungen, stabilere Arbeitszeiten und mehr Planbarkeit in anderen Branchen.

„Mit diesen Abgängen sind wertvolle Kräfte verloren gegangen“, sagt Guido Zeitler, Vorsitzender der Gewerkschaft NGG.

Neue Mitarbeiter, oft angelernte Kräfte, müssen das nun kompensieren, was oft nicht gelingt.

„In der Not setzen viele Restaurants verstärkt auf Fertiggerichte“, erklärt Zeitler. Diese sogenannten Convenience-Produkte werden aufgewärmt statt frisch zubereitet, und das kann auch ungelernte Mitarbeiter übernehmen. Es spart Zeit, erfordert aber weniger qualifiziertes Personal – ein Trend, der die Branche verändert.


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Systemgastronomie auf dem Vormarsch

Immer mehr Menschen zieht es in große Kettenrestaurants. Laut einer Studie des Marktforschers Circana führt mittlerweile mehr als jeder zweite Restaurantbesuch in eine Kette wie Burger King oder L’Osteria. 2016 war es noch jeder dritte Besuch.

Diese Betriebe brauchen mehr Personal, und die Expansion solcher Ketten führt dazu, dass der Fachkräftemangel in der Gastronomie besonders in kleineren Betrieben spürbar wird.

Der Wandel der Arbeitskultur

„Früher haben meine Mitarbeiter problemlos 50 Stunden pro Woche gearbeitet“, sagt Sternekoch Alexander Herrmann. „Heute ist das undenkbar.“ Die Bereitschaft zu Überstunden hat abgenommen, und junge Mitarbeiter legen mehr Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance. In vielen Restaurants bedeutet das: Mehr Schichten, mehr Mitarbeiter – und trotzdem bleibt die Personaldecke dünn.

Ausbildung in der Krise: Die Zahl der Auszubildenden in der Gastronomie ist drastisch gesunken – mit schwerwiegenden Folgen für die Zukunft der Branche.

Besonders die Generation Z hat andere Erwartungen an ihre Arbeit. „Für viele junge Menschen ist die Gastronomie einfach nicht mehr attraktiv“, beobachtet Gastrotrendforscherin Hanni Rützler. Der Wunsch nach einem geregelten Leben kollidiert mit den unregelmäßigen Arbeitszeiten und der hohen Belastung in der Gastronomie.

Die Ausbildungskrise

Früher galt die Ausbildung in der Gastronomie als Einstieg in eine Welt voller Möglichkeiten. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Seit 2007 hat sich die Zahl der Auszubildenden im Gastgewerbe mehr als halbiert.

Die Gründe: schlechte Bezahlung, lange Arbeitszeiten und hohe Belastung. Heute fehlen genau diese gut ausgebildeten Kräfte, um die wachsende Zahl der Restaurants zu unterstützen.

„Die Gastronomie hat es versäumt, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren“, sagt Zeitler. Viele junge Menschen sehen heute keine Perspektive in der Branche, die früher als Sprungbrett galt.