Die Schachwelt steht Kopf, als Magnus Carlsen, der unbestrittene Star des Spiels, doch an der Blitz-Weltmeisterschaft auf der Wall Street teilnimmt. Nach einem überraschenden Zwischenfall, bei dem der Norweger, 34, während der Schnellschach-WM aufgrund eines Verstoßes gegen den Fide-Dresscode sanktioniert wurde, sah es zunächst anders aus. Carlsen akzeptierte die Strafe von 200 Dollar, reagierte jedoch auf seine Disqualifikation in der neunten Runde mit der Ankündigung, das Blitzturnier zu boykottieren und New York zu verlassen.
Dank der persönlichen Vermittlung des Fide-Präsidenten Arkady Dvorkovich entschied sich Carlsen schließlich um. Der Vorfall hatte das Potenzial, Fides Ambitionen, durch die Austragung der hochkarätigen Weltmeisterschaften in der Finanzmetropole amerikanische Sponsoren zu gewinnen, erheblich zu schaden. Ohne die Beteiligung des weltbekannten Schachgroßmeisters wäre die mediale Strahlkraft der Veranstaltung stark reduziert gewesen.
Am Sonntag verkündete Fide erfreut: „Wir bestätigen mit Freude, dass Magnus Carlsen an der Blitz-Weltmeisterschaft teilnehmen wird.“
Im Gespräch mit Levy Rozman vor Ort erklärte Carlsen: „Ich spiele zumindest noch einen weiteren Tag in New York und, wenn alles gut läuft, auch noch einen Tag darüber hinaus. Wir hatten viele konstruktive Gespräche gestern, und wir pflegen ein gutes Verhältnis zu Fide-Präsident Arkady Dvorkovich. Gespräche mit Dvorkovich und Hauptsponsor Timur Turlov von Freedom Holding haben gezeigt, dass fruchtbare Diskussionen möglich sind, und letztendlich habe ich mich fürs Mitspielen entschieden.“ Bemerkenswert: Carlsen wird bei Blitz seine Jeans tragen.
Das Ergebnis der Schnellschach-WM am Samstag war dunkel für Fides Bemühungen, seine traditionell enge Verbindung zu Moskau herunterzuspielen. Ein Medaillensweep dreier russischer Spieler unter neutraler Fide-Flagge rückte das Thema Russland ungewollt ins Rampenlicht, obwohl Fide in ihrer Pressemitteilung das Land konsequent ausklammerte.
Russlands Nachwuchshoffnung Volodar Murzin, 18, holte Gold mit einem ungeschlagenen 10/13 und beeindruckte mit einem spektakulären Manöver seines schwarzen Königs in die weiße Verteidigung. Bereits zuvor besiegte Murzin den Weltranglisten-Zweiten und US-Meister Fabiano Caruana. Der Blitz-Spezialist Alexander Grischuk sicherte sich Silber, während Carlsens ehemaliger Herausforderer Ian Nepomniachtchi Dritter wurde. Grischuks Ehefrau, Kateryna Lagno, gewann Bronze bei den Frauen hinter Indiens Humpy Koneru und Chinas Ju Wenjun.
Das zweitägige Blitzturnier am Montag und Dienstag verspricht mit drei Minuten Bedenkzeit pro Partie plus zwei Sekunden pro Zug Spannung pur. Interessierte können das Spektakel kostenlos bei lichess.org verfolgen. Los geht es um 19 Uhr GMT am heutigen 30. Dezember.
Im Rahmenprogramm fand am 29. Dezember das „Wall Street Gambit“ statt, eine Konferenz zur Erkundung von Synergien zwischen Schach und unternehmerischen Entscheidungsprozessen. Fide veröffentlichte hierzu einen ausführlichen Bericht.