Unternehmen
LVMH verliert Europas Luxuskrone an Hermès
Der französische Luxusgigant kämpft mit nachlassender Nachfrage und verfehlten Erwartungen. War’s das mit der Dominanz?
Der französische Luxusgigant kämpft mit nachlassender Nachfrage und verfehlten Erwartungen. War’s das mit der Dominanz?
Lange galt LVMH als unangefochtener König der Luxuswelt – jetzt wackelt der Thron. Die jüngsten Quartalszahlen des französischen Mode- und Genussmittelkonzerns enttäuschten auf ganzer Linie.
Umsätze stagnieren, das Wachstum bröckelt, der Markt zeigt sich nervös. Besonders bitter: Der einst so übermächtige Branchenführer wurde in puncto Marktkapitalisierung nun sogar von Hermès überholt – einem Rivalen, der auf Klasse statt Masse setzt und damit besser durch die aktuelle Marktlage kommt.
Schon die vorherigen beiden Quartale hatten vermuten lassen, dass der Höhenflug des Konzerns ins Stocken geraten könnte. Im vierten Quartal 2024 lag der Gewinn je Aktie fast 23 Prozent unter den Erwartungen der Analysten – ein herber Rückschlag für ein Unternehmen, das sonst mit operativer Exzellenz glänzt.
Die Reaktion des Marktes folgte prompt: Der Aktienkurs rauschte von über 500 auf unter 490 Euro – ein Kursverlust von über 35 Prozent binnen eines Jahres.
Besonders dramatisch: Während LVMH schwächelt, scheint Hermès immun gegen die Luxusflaute. Die Konkurrenz punktet mit knapper Verfügbarkeit, höheren Margen und einem loyaleren Kundenstamm.
Dort, wo LVMH Masse macht – etwa mit Louis Vuitton oder Sephora – setzt Hermès auf Selektion und Exklusivität. In einem Markt, in dem Konsumenten vorsichtiger werden, macht das den Unterschied.
Doch nicht nur die Konkurrenz schläft nicht – auch das geopolitische Umfeld bereitet LVMH zunehmend Kopfschmerzen.
Die neue Zollpolitik der USA unter Trump 2.0 trifft die europäischen Luxusmarken ins Mark. CEO Bernard Arnault sprach jüngst öffentlich von einer „Blockadehaltung Brüssels“ und forderte eine stärkere Unterstützung durch die EU – ein politisches Statement, wie man es vom sonst eher diskreten Milliardär selten hört.
Hinzu kommt ein rückläufiger Konsum in China, der für LVMH als wichtigstem Absatzmarkt lange Zeit ein zuverlässiger Wachstumsmotor war. Die Luxusnachfrage im Reich der Mitte ist nicht eingebrochen – aber selektiver geworden.
Und in den USA sorgt der Preisdruck von Amazon im Kosmetiksegment für Erosionen bei der Tochter Sephora. Es ist ein gefährlicher Cocktail, der den Konzern trifft – und zwar nicht nur auf dem Papier.
Trotz aller aktuellen Rückschläge ist LVMH kein Sanierungsfall. Der Konzern bleibt mit über 70 Marken, darunter Louis Vuitton, Dior, Bulgari und Moët & Chandon, eine Macht in der Welt der Luxusgüter.
Die operative Marge liegt solide bei über 16 %, die Dividende wurde zuletzt auf 13 Euro erhöht – das entspricht rund 2,65 % Rendite.
Die Analystengemeinde ist entsprechend gespalten: Zwar sehen 66 % der Experten die Aktie weiterhin als Kauf – doch die Kursziele wurden zuletzt reihenweise gesenkt.
Von einst über 800 Euro ist nun im Schnitt nur noch von 774 Euro die Rede. Das wäre zwar immer noch ein Aufwärtspotenzial von fast 60 % – aber eben auch eine Wette auf eine schnelle Trendwende.
Das Management um Bernard Arnault, der sich jüngst vom Aktionariat die Verlängerung seiner Amtszeit bis zum 85. Lebensjahr genehmigen ließ, steht unter Zugzwang.
Gefragt sind nun keine glanzvollen Werbekampagnen, sondern strategische Klarheit. Eine Stärkung der Onlinepräsenz, eine Konsolidierung im Portfolio und echte Innovationsimpulse – etwa durch neue Marken, neue Segmente oder Kooperationen – könnten helfen, das Ruder wieder herumzureißen.
Denn eines ist klar: Luxus ist kein Auslaufmodell. Aber er verändert sich. Wer heute bestehen will, muss den Nerv der globalen Eliten treffen – und deren Werteverständnis. Nachhaltigkeit, Individualität und kulturelle Sensibilität gewinnen auch in dieser Branche an Gewicht. Und hier hat LVMH durchaus Nachholbedarf.
Für langfristig orientierte Anleger bleibt die LVMH-Aktie ein spannendes Investment – gerade jetzt, da viele Investoren kalte Füße bekommen. Der Burggraben ist tief, das Geschäftsmodell intakt, und das Markenportfolio sucht seinesgleichen. Doch wer hier zugreift, sollte Geduld mitbringen – und starke Nerven. Denn bis die Luxusmaschine wieder rund läuft, kann es dauern.
Die Finanzkennzahlen und Marktdaten in diesem Artikel basieren auf Informationen von Eulerpool.com, Stand: April 2025.
Das könnte Sie auch interessieren: