05. Januar, 2025

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Luxusreisen, Privilegien, Vetternwirtschaft: Brasiliens Justiz

60 Tage Urlaub, steuerfreie Zulagen und enge Verbindungen zu Wirtschaft und Politik: Brasiliens Justiz steht unter Druck. Privilegien und Korruptionsvorwürfe lassen Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz wachsen – und kosten die Gesellschaft Millionen.

Luxusreisen, Privilegien, Vetternwirtschaft: Brasiliens Justiz
Mit 1,6 % des BIP ist Brasiliens Justiz weltweit eine der teuersten. Im Korruptionsindex von Transparency International belegt das Land dennoch nur Platz 104 – hinter China und Indien.

Ein Luxus, den sich sonst niemand leisten kann

Man stelle sich vor: Deutschlands oberster Richter lädt einmal im Jahr zu einem exklusiven Treffen ins Ausland ein – ein Luxusresort in der Karibik oder in Südeuropa.

Gäste sind Kollegen, Politiker und Unternehmer, deren Fälle oft direkt vor Gericht verhandelt werden. Alles wird von Sponsoren finanziert, die ebenfalls an der Rechtsprechung interessiert sind.

In Brasilien ist dieses Szenario Realität. Jährlich lädt Gilmar Mendes, Richter am Supremo Tribunal Federal (STF), der höchsten gerichtlichen Instanz des Landes, zum sogenannten „Rechtsforum“ nach Portugal ein.

Die Veranstaltung, spöttisch als „Gilmarpalooza“ bezeichnet, hat sich zur inoffiziellen Lobbyplattform der Justiz entwickelt. „Ein großes Lobbytreffen“, kritisiert Conrado Hübner, Professor für öffentliches Recht an der Universität São Paulo.

Mendes selbst sieht das anders: Die Veranstaltung sei ein Forum, um den Dialog zwischen Justiz, Wirtschaft und Gesellschaft zu fördern.

Vetternwirtschaft auf höchster Ebene

Brasiliens Justiz sieht sich als Hüterin der Demokratie. 2022, als Ex-Präsident Jair Bolsonaro die Legitimität der Wahlen infrage stellte, schützte der Oberste Gerichtshof das Land vor einem demokratischen Rückschritt.

Doch dieser Ruf wird durch Vorwürfe von Vorteilsnahme und Vetternwirtschaft zunehmend beschädigt.

Brasiliens Richter genießen 60 Tage Urlaub im Jahr, lassen sich diese Tage oft auszahlen und erhalten dafür zusätzlich steuerfreie Vergütungen – eine Regelung, die Millionen kostet.

Richter erhalten großzügige Zulagen für Wohnung, Kleidung, Transport oder Beerdigungen – selbst der Urlaub wird zur Einkommensquelle. Statt die 60 Tage Urlaub zu nehmen, lassen sich viele Richter diese auszahlen. Besonders skurril: In einigen Bundesstaaten können die Erben verstorbener Richter nicht genutzte Urlaubstage nachträglich einfordern.

Dies hat zur Folge, dass Brasiliens Justizsystem den Steuerzahler rund 1,6 % des Bruttoinlandsprodukts kostet. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 1,4 %, in der Schweiz sogar nur 0,28 %.

„Ein Teufelskreis der Privilegien“

„Die Justiz hat sich zu einer abgeschotteten Kaste entwickelt“, sagt Bruno Carazza, Ökonom und Autor des Buches Das Land der Privilegien. In seinem Werk beschreibt er, wie Richter und Staatsanwälte immer neue steuerfreie Sonderzulagen erfinden, um das gesetzliche Gehaltsmaximum zu umgehen.


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Offiziell darf kein Beamter mehr als ein Richter am Obersten Gerichtshof verdienen – etwa 8000 Euro im Monat. Doch 93 Prozent der Justizmitarbeiter verdienen durch Zulagen mehr als diese Grenze.

Diese Entwicklung bleibt nicht auf die Justiz beschränkt: Auch Steuerprüfer und Bundespolizisten fordern ähnliche Sonderrechte. „Es entsteht ein Teufelskreis, in dem immer neue Privilegien erkämpft werden, der den Staatsapparat weiter belastet“, erklärt Carazza.

Korruption und ein zwiespältiges System

Die Justiz steht nicht nur wegen ihrer Privilegien in der Kritik. Der Lava-Jato-Korruptionsskandal der 2010er Jahre zeigte die Verstrickungen zwischen Justiz, Politik und Wirtschaft auf.

Zunächst unterstützten die Richter die Ermittlungen. Doch als belastende Aussagen auch die höchsten juristischen Kreise erreichten, wurden Urteile aufgehoben und Ermittlungen gestoppt. Kritiker werfen der Justiz vor, sich durch diese Entscheidungen selbst zu schützen.

Ein weiteres Beispiel: Ricardo Lewandowski, ehemaliger Oberrichter, wechselte nach seiner Pensionierung nahtlos in die Rechtsabteilung eines Unternehmens, das zuvor mehrfach wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht stand.

Heute ist Lewandowski Justizminister – eine Personalentscheidung, die in der Bevölkerung für Kopfschütteln sorgt.

„Kein System der Kontrolle“

Die eigens geschaffenen Kontrollgremien der Justiz, wie der Nationale Richterrat, haben sich laut Transparency International längst zu Interessenvertretungen der Justizelite entwickelt.

„Es gibt niemanden, der die Richter effektiv kontrolliert“, kritisiert Bruno Brandão, Direktor von Transparency International in Brasilien.

Versuche, mehr Transparenz zu schaffen, scheitern oft an den Widerständen der Justiz.

Ein teures System für die Gesellschaft

Die Kosten für dieses System trägt letztlich die brasilianische Bevölkerung. Brasilien liegt im Korruptionsindex 2023 von Transparency International auf Platz 104 von 180 Ländern – weit hinter vergleichbaren Schwellenländern wie China (76) oder Indien (93). Die Justiz, die eigentlich die Korruption bekämpfen sollte, wird selbst als Teil des Problems wahrgenommen.

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