Die Karten im globalen Luftverkehr werden neu gemischt – und die Lufthansa spielt zunehmend mit schlechten Blättern. Während die Nachfrage im Asienverkehr nach der Pandemie anzieht, bleiben für Europas größte Airline vor allem steigende Kosten und sinkende Renditen.
Der Grund: chinesische Fluggesellschaften fliegen wieder – und sie fliegen billiger.
Wettbewerbsnachteil durch Geopolitik
Felipe Bonifatti, Asien-Pazifik-Chef der Lufthansa, bringt das Problem im Interview auf den Punkt:
„Wir haben in Europa Überkapazitäten durch chinesische Airlines.“
Diese würden aggressive Preise anbieten – und dabei einen entscheidenden Vorteil genießen: Sie dürfen den russischen Luftraum nutzen.
Seit Beginn des Ukrainekriegs im Februar 2022 müssen EU-Airlines Russland großräumig umfliegen. Das verlängert Flugzeiten nach Peking, Shanghai oder Seoul um mehrere Stunden – und treibt den Kerosinverbrauch wie auch die Crewkosten in die Höhe. Die Konkurrenz aus China fliegt dagegen auf direktem Weg – schneller, günstiger und mit besserer Kostenstruktur.
Marktanteile verschieben sich – Lufthansa verliert
Die Zahlen sprechen für sich. 2024 brach die Passagierzahl der Lufthansa im Asien-Pazifik-Geschäft um 9,8 % ein. Gleichzeitig gewannen Airlines wie Air China, China Eastern und China Southern Marktanteile zurück – nicht nur im Heimmarkt, sondern auch auf Verbindungen zwischen Europa und Fernost.

Die aggressive Expansion der chinesischen Airlines ist dabei kein Zufall. Seit 2023 fördert Peking gezielt die Wiederaufnahme und Ausweitung internationaler Flugverbindungen. Die strategische Zielrichtung ist klar: wirtschaftliche Wiederannäherung durch internationale Mobilität – und die Rückeroberung verlorener Streckennetze.
Dumpingverdacht trifft auf politische Realität
In Lufthansa-Kreisen wird zunehmend auch ein anderer Begriff in den Mund genommen: Wettbewerbsverzerrung. Die Ticketpreise chinesischer Airlines liegen auf vielen Routen deutlich unter Marktniveau.
Brancheninsider vermuten staatliche Quersubventionierung – etwa durch günstigen Zugang zu Flughafengebühren, Treibstoff oder Krediten.
Doch rechtlich ist die Situation kompliziert. Die EU kann schwerlich gegen chinesische Airlines vorgehen, solange keine klare Beweislage zu unlauteren Marktpraktiken vorliegt. Zudem fehlt es an wirksamen Instrumenten, um faire Bedingungen in einem global zersplitterten Markt durchzusetzen.
Die Folgen: Preisdruck, Gewinnwarnungen, Rückzug
Schon 2023 hatte Lufthansa eine Gewinnwarnung veröffentlicht – mit Asien als explizitem Schwachpunkt. Die Ticketpreise seien dort „massiv unter Druck“, hieß es damals. Auch 2024 sieht es kaum besser aus.
Der Konzern muss Verbindungen streichen, Kapazitäten umverteilen, in Premiumangeboten nachbessern – doch der Trend bleibt: Asien wird zur Problemzone.
Und das ist ein Dilemma. Denn die Region gilt eigentlich als eine der wachstumsstärksten im internationalen Luftverkehr. Mit der wirtschaftlichen Erholung Chinas, dem Tourismusboom in Südostasien und dem anhaltenden Geschäftskundenverkehr zwischen Deutschland, Korea und Japan ist die Nachfrage eigentlich gegeben – nur nicht für alle gleich profitabel.
Lösungen? Fehlanzeige.
Ein Ende der Umfliegung des russischen Luftraums ist nicht in Sicht. Auch auf EU-Ebene fehlt bislang ein koordinierter Ansatz, um die strukturellen Nachteile europäischer Airlines auszugleichen. Lufthansa fordert „faire Wettbewerbsbedingungen“ – doch wer soll sie durchsetzen?
Selbst innerhalb der Branche ist der Schulterschluss brüchig. Air France-KLM etwa profitiert auf bestimmten Strecken teils von günstigeren Alternativen über Afrika oder den Nahen Osten. Turkish Airlines und Emirates sind ohnehin außer Konkurrenz. Und in China plant man längst die nächste Ausbaustufe.