Einreise mit Risiko – und wirtschaftlichen Folgen
Es war nur ein Nebensatz, doch er hatte die Sprengkraft einer Gewinnwarnung. Virgin-Atlantic-Finanzvorstand Oli Byers sprach kürzlich davon, erste Anzeichen einer rückläufigen US-Nachfrage zu erkennen.
An den Börsen genügte das – die Aktien europäischer Airlines rauschten nach unten. Am stärksten betroffen: Lufthansa. Dabei ist nicht nur die Prognose düster – die Ursachen sind es ebenso.
Seit Wochen mehren sich Berichte über problematische Einreiseverfahren in die USA. Deutsche Urlauber werden an der Grenze abgewiesen, kritische Äußerungen über Donald Trump reichen angeblich, um ein Rückflugticket in die Hand gedrückt zu bekommen.
Drei Abschiebungen, ein Fall von Abschiebehaft – und eine wachsende Unsicherheit unter Reisenden.
Aus Angst wird Absage
Besonders dramatisch zeigt sich das bei Nordameras nördlichem Nachbarn. Zwischen Kanada und den USA ist die touristische Achse beinahe zum Stillstand gekommen.
Laut Daten von OAG Aviation Worldwide sind die Flugbuchungen im April um 75 Prozent eingebrochen. Hintergrund: eine Welle anti-amerikanischer Stimmung infolge wiederholter verbaler Ausfälle Trumps gegen Kanada. Boykottaufrufe und Stornowellen inklusive.
Jetzt schwappt diese Stimmung offenbar nach Europa. Lufthansa, British Airways, Air France – alle verzeichnen Rückgänge im Transatlantikgeschäft.
Sogar Billigflieger wie Ryanair und EasyJet, die gar nicht in die USA fliegen, gaben an der Börse deutlich nach – offenbar aus Angst vor einem allgemeinen Nachfrageeinbruch in der Reisebranche.

USA: Vom Wachstumstreiber zur Problemzone
Für Lufthansa ist die Entwicklung brandgefährlich. Die Verbindungen in die USA sind seit Jahren das Rückgrat des Langstreckennetzes. Allein auf der Strecke Frankfurt–New York verdient der Konzern einen großen Teil seines operativen Gewinns.
Der Rückzug aus China – durch Wettbewerbsnachteile wegen des gesperrten russischen Luftraums – hat das Nordamerageschäft noch relevanter gemacht.
Hinzu kommt die Integration von Ita Airways. Durch sie ist Lufthansa in Italien stark aufgestellt, ein Markt mit hoher Nachfrage nach Flügen in die USA, getrieben durch familiäre Bindungen. Gerade diese sogenannten "VFR-Verkehre" (Visiting Friends and Relatives) sind jedoch sensibel – sie reagieren schnell auf politische Risiken.
Imagekrise als wirtschaftliches Risiko
In der Trump-Ära droht das Imageproblem zum Buchungsproblem zu werden. Die USA sind kein Sehnsuchtsort mehr, sondern ein Risiko.
Das Auswärtige Amt hat die Reisehinweise verschärft, Airlines halten sich mit Kommentaren auffällig zurück. Auf Anfrage heißt es bei Lufthansa: "Keine neuen Informationen zur Buchungslage". Condor spricht vage von einer "Nachfrageentwicklung im Rahmen der Erwartungen".
Im Hintergrund dürfte die Unsicherheit größer sein. Der Tourismus ist ein Stimmungsbarometer – und in den USA derzeit ein besonders empfindliches. Wer in Frankfurt in eine 10.000-Euro-First-Class-Kabine steigt, will keine Diskussion mit Grenzbeamten über politische Tweets führen müssen.
Flexibilität versus Fixkosten
Während Urlauber-Airlines wie Condor kurzfristig Kapazitäten in Richtung Afrika oder Asien verschieben könnten, ist Lufthansa als Netzwerkcarrier deutlich unflexibler.
Die USA-Verbindungen sind langfristig eingeplant, Slotrechte hart umkämpft, Flugzeuge fest verplant. Der Konzern steckt mitten in einem tiefgreifenden Restrukturierungsprogramm – und braucht stabile Erträge.
Schon jetzt ist der Aktienkurs unter Druck. Seit April 2024 hat Lufthansa an der Börse rund 20 Prozent an Wert verloren. Analysten warnen: Sollte sich die politische Lage weiter zuspitzen, könnten auch Geschäftsreisende umdisponieren – zumal das Vertrauen in stabile Einreisebedingungen ein entscheidender Faktor ist.
Trump als Marktunsicherheitsfaktor
Der Elefant im Raum ist Donald Trump selbst. Seine erneute Präsidentschaft hat nicht nur politische, sondern direkte ökonomische Konsequenzen. Airlines und Tourismusanbieter sind davon besonders betroffen. Der Kurswechsel in der Einreisepolitik – mit Drohungen, Durchsuchungen und Rückführungen – erzeugt einen Dominoeffekt, der längst mehr als nur PR-Schäden verursacht.
Die US-Wirtschaft selbst könnte unter der Entwicklung leiden. Weniger Besucher bedeuten weniger Konsum, weniger Hotelnächte, weniger Umsatz in Gastronomie und Einzelhandel. Für europäische Airlines aber ist das Risiko unmittelbarer – in ihren Maschinen bleiben Sitze leer.
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