Ein Stabwechsel, der nicht gelingen will
Es war kein einfacher Moment, als sich Karl-Ludwig Kley im Mai 2023 erneut den Aktionären der Lufthansa zur Wiederwahl stellte. Der erfahrene Manager wollte eigentlich nicht länger als nötig Aufsichtsratschef bleiben.
Doch ein geeigneter Nachfolger fehlte. So ließ Kley sich überzeugen, noch eine Amtszeit anzuhängen – mit der Aussicht, vorzeitig den Staffelstab zu übergeben.
Eigens wurde die Altersgrenze für Aufsichtsräte von 70 auf 72 Jahre angehoben. Eine pragmatische Lösung, die jedoch nicht jedem Aktionär schmeckte. Obwohl Kley mit 90 Prozent Zustimmung gewählt wurde, schnitten andere Kandidaten wie Henkel-Chef Carsten Knobel deutlich besser ab.
Ein Wunschkandidat mit Widerstand
Kley selbst hätte offenbar am liebsten Tom Enders, den ehemaligen Airbus-CEO, als Nachfolger. Enders gilt als durchsetzungsstark, hat aber nicht nur Freunde im Lufthansa-Aufsichtsrat. Vor allem Arbeitnehmervertreter stehen seiner Berufung skeptisch gegenüber.
Sie werfen ihm vor, während der Corona-Krise gegen die staatliche Rettung der Lufthansa gestimmt zu haben. „Ein Insolvenzverfahren hätte noch mehr Arbeitsplätze gekostet“, heißt es aus Gewerkschaftskreisen.
Auch Enders’ bekannt kritische Haltung zur Mitbestimmung sorgt für Spannungen. Der Aufsichtsrat bleibt tief gespalten – ein Konsenskandidat ist nicht in Sicht.
Kühnes Einfluss wächst
Während die Suche nach einem neuen Aufsichtsratschef stockt, wächst der Einfluss von Großaktionär Klaus-Michael Kühne. Mit knapp 19 Prozent der Anteile ist er der größte Einzelaktionär. Kühne macht keinen Hehl daraus, dass er mehr Mitspracherecht einfordert. Sein Wort dürfte bei der Besetzung des Aufsichtsratsvorsitzes Gewicht haben.
„Kühne wird nicht selbst den Vorsitz übernehmen, aber er wird sicherstellen, dass seine Interessen vertreten sind“, spekuliert ein Brancheninsider. Bereits jetzt wird über einen zweiten Sitz für Kühnes Vertreter im Kontrollgremium gemunkelt.
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Herausforderungen für die Lufthansa
Die Unsicherheit im Aufsichtsrat kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Die Kernmarke Lufthansa ist weiterhin defizitär: In den ersten neun Monaten 2024 verzeichnete die Premium-Airline einen Verlust von 36 Millionen Euro. Kley hat intern signalisiert, dass er sein Amt erst abgeben will, wenn das Unternehmen auf einem stabileren Fundament steht.
Bis 2026 soll die Lufthansa restrukturiert sein, passend zum 100-jährigen Jubiläum. Für Kley wäre dies der ideale Zeitpunkt, seinen Posten zu räumen. Doch ob der Aufsichtsrat bis dahin einen Nachfolger findet, bleibt fraglich.