Lufthansa im Sinkflug: Zwischen Premium-Anspruch und enttäuschter Kundenerfahrung
Frust bei Lufthansa-Kunden wächst: Verspätungen, verlorenes Gepäck und lange Warteschleifen stehen inzwischen an der Tagesordnung und belasten das Image der Airline schwer.

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Lufthansa im Sinkflug: Zwischen Premium-Anspruch und enttäuschter Kundenerfahrung

Statt Luxus und Pünktlichkeit erwarten Lufthansa-Kunden heute Frust und Verspätungen. Wie sich der Kranich von einst zum Dauerärgernis entwickelte – und was CEO Spohr tun will, um das Ruder herumzureißen.

Es war einmal eine Airline, auf die die Deutschen stolz waren. Lufthansa, die „Kranich-Airline“, die es schaffte, sich weltweit als Inbegriff deutscher Präzision und Zuverlässigkeit zu etablieren.

Doch wer heute mit Lufthansa fliegt, erlebt nicht selten ein anderes Bild: überforderte Service-Mitarbeiter, verspätete Maschinen, Koffer, die auch mal auf eigene Tour gehen – und eine Servicequalität, die viele Stammkunden schmerzlich vermissen.

Christian Bauer, Vielflieger und langjähriger Lufthansa-Kunde, hatte diesen Sommer eine Lektion in Sachen Nervenstärke. Für seinen Familienurlaub nach Südfrankreich legte er satte 4800 Euro für Business-Class-Tickets hin, inklusive Gepäck.

Der einstige Branchenführer wurde von Skytrax auf vier Sterne herabgestuft – ein Rückschlag für eine Airline, die einst deutsche Präzision und Premiumqualität verkörperte.

Doch bei der Landung fehlten zwei von sechs Koffern, und eine Odyssee durch Hotline-Warteschleifen und Paketshops begann. Elf Tage dauerte es, bis das Gepäck endlich in der Nähe seines Urlaubsortes ankam – und die Entschädigung lässt Lufthansa noch immer auf sich warten.

„Die Kommunikation war ein Trauerspiel,“ sagt Bauer, und sein Frust ist spürbar.

Anspruch und Realität: Eine wachsende Lücke

Bauers Erlebnisse sind kein Einzelfall. Die „Premium-Airline“ hat ein Imageproblem, und das nicht erst seit gestern. Bei Skytrax, dem weltweiten Ranking der Airlines, ist Lufthansa inzwischen auf vier Sterne abgestiegen.

Das schmerzt, denn für eine Fluggesellschaft, die sich im Premium-Segment positioniert, ist dieser Abstieg ein klarer Hinweis: Es läuft etwas gründlich schief.

Nicht nur die Kundschaft ist genervt – auch das eigene Personal steht unter Dauerstress. Lange Schlangen an unterbesetzten Schaltern, überforderte Mitarbeiter und eine immer dünnere Personaldecke. I

m Netz beschweren sich Kunden über zähe Service-Prozesse, ständige Verspätungen und die überlastete Hotline, die oft erst nach endloser Warteschleife anspringt.

„Das sind keine Einzelfälle mehr – das ist ein strukturelles Problem,“ erklärt Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. „Die Lufthansa hat ihre menschlichen Kontaktpunkte immer weiter abgebaut, und der Frust staut sich.“

Das teure Sitzprojekt „Allegris“ – Premium für alle?

Als Zeichen eines „neuen Lufthansa-Gefühls“ setzt der Konzern auf das 2,5 Milliarden Euro teure Sitzerneuerungsprogramm „Allegris“, das die Flugzeuge mit modernsten Sitzen ausstatten soll.

Allegris: Premium-Versprechen bleibt auf halber Strecke“ – Das 2,5 Milliarden Euro teure Sitzprogramm sollte Lufthansa-Kunden höchsten Komfort bieten, doch die ersten Reaktionen fallen verhalten aus. Komplizierte Buchungssysteme und unübersichtliche Sitzoptionen dämpfen die Begeisterung über die neue „beste Business-Class der Welt“

Doch der Neustart verläuft holprig: Kunden finden die neuen Sitzoptionen unübersichtlich, das komplizierte Preis- und Buchungssystem wirkt abschreckend – und der angekündigte Komfort bleibt oft aus. Dabei sollte „Allegris“ eigentlich der Inbegriff des modernen Reisens werden.

Doch die Umsetzung lässt zu wünschen übrig, was vielleicht erklärt, warum Lufthansa-Chef Carsten Spohr die Präsentation dem Airline-Chef Jens Ritter überließ. Ob Spohr selbst so ganz überzeugt ist?

Wenn Mitarbeiter streiken, weil das Sparen wehtut

Die Lufthansa-Mitarbeiter fühlen sich ebenfalls im Stich gelassen. Nach Jahren straffer Sparpolitik entlud sich der Frust im Frühjahr in massiven Streiks, die dem Konzern geschätzte 250 Millionen Euro kosteten.

Ein Tropfen auf den heißen Stein? Die wachsenden Sparmaßnahmen haben für viele ein untragbares Arbeitsumfeld geschaffen. Ein besonders heikler Punkt: Die Gründung der Tochtergesellschaft „City Airlines“, die mit schlechteren Konditionen als die Lufthansa ihre Crews abspeisen soll.

Nicht wenige Mitarbeiter sehen hierin eine schleichende Aushöhlung der eigenen Rechte.

Europas Rekordhalter bei Stornierungen und Entschädigungen

Auch extern steht Lufthansa unter Druck: Flightright, der Marktführer für Fluggastrechte in Deutschland, hat sich in den letzten Jahren ein florierendes Geschäft mit Lufthansa-Kunden aufgebaut.

Der Lufthansa-Chef kämpft mit Imageproblemen und internen Herausforderungen. Während Kunden und Mitarbeiter unzufrieden sind, setzt Spohr alles daran, die Airline bis zum 100. Jubiläum 2026 wieder auf Premium-Kurs zu bringen.

Ob Stornierungen, Verspätungen oder Gepäckprobleme – Lufthansa landet häufig ganz vorne, wenn es um Entschädigungsforderungen geht. Jan-Frederik Arnold, Geschäftsführer von Flightright, weiß, dass Lufthansa selten freiwillig zahlt.

„In vielen Fällen wird die Entschädigung nur gerichtlich durchgesetzt,“ so Arnold. Andere Airlines zahlen bei klarer Rechtslage, nicht jedoch die Lufthansa – und das kostet.

Der große Stolz im Sinkflug – die Zukunft der Lufthansa

Trotz all dieser Baustellen soll Lufthansa bis 2026 wieder als strahlendes Flaggschiff abheben – pünktlich zum 100. Geburtstag. Doch die Bilanz des Sommerflugplans 2024 lässt daran zweifeln: Zwar laufen die Fracht- und Techniksparten solide, und auch die Tochter-Airlines Eurowings und Discover schlagen sich wacker. Doch das eigentliche Herzstück, die Lufthansa selbst, ist das Sorgenkind. Spohr bringt es auf den Punkt:

„Wir müssen die Lufthansa-Airline wieder in den Griff bekommen – sie darf nicht unser Problemkind sein.“

Doch dieser Weg wird kein kurzer sein. Mit verzögerten Boeing-Lieferungen, die die Flotte veraltet lassen, und massiven Serviceproblemen steht die Lufthansa vor der Herausforderung, ihren Premium-Anspruch mit der Realität in Einklang zu bringen. Stammkunden wie Christian Bauer fragen sich inzwischen, ob sie künftig nicht einfach umsteigen – auf Airlines, die halten, was sie versprechen.