London steht vor einer drastischen Verschärfung der Krise im Sektor des bezahlbaren Wohnraums. Steigende Inflation, hohe Zinssätze und immense Kosten für Gebäudesicherheitsmaßnahmen setzen den Finanzen von Wohnungsbaugesellschaften enorm zu. Fiona Fletcher-Smith, Vorsitzende der G15-Gruppe, die einige der größten Wohnungsbaugesellschaften Londons vertritt, weist auf diesen bevorstehenden Abgrund hin und beschreibt das Abrutschen als bereits in vollem Gange.
Aktuelle Statistiken zeigen einen dramatischen Rückgang bei den Neubauten erschwinglicher Wohnungen in London. Die im vergangenen März veröffentlichten Daten verzeichnen einen Rückgang um 88 Prozent, die Zahl der Baubeginne sank von 26.386 auf nur noch 3.156 - der niedrigste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2015. Dies hat zu einem Anstieg der Obdachlosigkeit und erhöhtem Druck auf die Ressourcen der Gemeinderäte beigetragen.
Die insgesamt begrenzte Verfügbarkeit dieser Wohnungen zwingt immer mehr Menschen in den privaten Mietsektor, wo die Mieten in diesem Jahr einen Rekordanstieg verzeichneten. In London drängt die hohe Wohnkostenbelastung einkommensschwächere Menschen aus der Stadt und von Arbeitsplatzmöglichkeiten weg.
Der Skandal um die schlechten Bedingungen in den bestehenden Sozialwohnungen führte zu strengeren Standards für Anbieter, was Neubauten verzögert. Will Jeffwitz von der National Housing Federation betont, dass London aufgrund der älteren Bausubstanz und höherer Betriebskosten besonders stark betroffen sei, insbesondere infolge der Sicherheitskosten durch das Grenfell-Desaster.
Die britische Regierung hat Maßnahmen zur Unterstützung dieser Krisensituation zugesagt, darunter ein neues Finanzierungsprogramm für bezahlbaren Wohnraum und zusätzliche Mittel zur Bewältigung der Sicherheitskosten. Trotzdem bleibt der Anteil staatlicher Zuschüsse für den Wohnungsbau gering im Vergleich zu früheren Jahren.
Andy Hulme von der Hyde Group hebt die finanziellen Herausforderungen der sozialen Vermieter hervor, die durch jahrelange Mietkürzungen und unterhalb der Inflationsrate liegende Mietvereinbarungen verschärft wurden. Der Bürgermeister von London, Sadiq Khan, sieht die aktuelle Krise als die größte Herausforderung seit der Finanzkrise von 2008. Trotz dieser Schwierigkeiten bleibt das erklärte Ziel, zusammen mit der Regierung an einem gerechteren London zu arbeiten.
Die Prognosen deuten darauf hin, dass die Rückgänge bei den Baubeginnen in den kommenden Jahren auch zu einem Rückgang der Wohnungsfertigstellungen führen werden, was eine nachhaltige Verbesserung erschwert. Ian McDermott von der Peabody Wohnungsbaugesellschaft sieht die aktuelle Krise als Ergebnis jahrelanger Versäumnisse und warnt vor einer weiteren Verschärfung in naher Zukunft.