Ein Terminal, das schneller ist als die Konkurrenz
Ein kalter Wind fegt über das Industrieareal im Leipziger Stadtteil Engelsdorf. Auf den Gleisen stehen Güterwaggons, daneben reihen sich Sattelauflieger in Stahlwannen.
Dann ein schriller Pfeifton – Sekunden später öffnet sich die Seitenwand eines Waggons, ein gewaltiger Stahlbalken hebt einen 46-Tonnen-Auflieger an und verfrachtet ihn auf den Zug.
Was hier auf den ersten Blick unspektakulär wirkt, könnte den Güterverkehr revolutionieren. Denn mit der Technik von Cargo Beamer soll ein kompletter Güterzug innerhalb von 20 Minuten beladen werden. Im Vergleich dazu dauert derselbe Vorgang mit einem herkömmlichen Portalkran rund drei Stunden.
Das Ziel: Lkw-Fracht in großem Stil auf die Schiene bringen – schneller und effizienter als je zuvor.
Warum der Schienengüterverkehr bislang nicht vorankommt
Seit Jahren stagniert der Anteil des Schienengüterverkehrs in Deutschland. Während die Straßen voller Lastwagen sind und sich der Transport auf der Straße in den vergangenen 30 Jahren verdoppelt hat, legte die Bahn in der gleichen Zeit nur um 50 Prozent zu.
Das hat Folgen: Der Lkw-Verkehr verursacht ein Drittel der gesamten Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors.
Doch warum wächst der Schienengüterverkehr nicht schneller?
📌 Mangelnde Infrastruktur: Viele Bahnhöfe und Rangierstationen sind veraltet, die Kapazitäten sind begrenzt.
📌 Unwirtschaftlicher Einzelwagenverkehr: Güter müssen aufwendig umgeladen und zusammengestellt werden – ein teurer und ineffizienter Prozess.
📌 Eingeschränkte Kranverladung: Rund 90 Prozent der Lkw-Trailer können nicht mit herkömmlichen Kränen auf Züge gehoben werden, da sie zu instabil sind.
Cargo Beamer könnte genau hier ansetzen – denn die neue Technologie macht den Einsatz von Kränen überflüssig und ermöglicht die Verladung praktisch aller Trailer.

Cargo Beamer plant europaweites Terminal-Netz
Das Unternehmen hat ambitionierte Ziele. Bis 2034 sollen 18 Verladeterminals in Europa entstehen, um das Schienennetz effizienter nutzbar zu machen. Neben dem bestehenden Terminal in Calais sind bereits Anlagen in Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und Ungarn in Planung.
Die Vorteile des Systems:
- Jeder gängige Lkw-Auflieger kann ohne Kran verladen werden.
- Die Verladung erfolgt 85 Prozent schneller als mit herkömmlichen Methoden.
- Die Technologie senkt die Transportkosten um bis zu 15 Prozent.
Für Logistikkonzerne ist das attraktiv. Zu den Kunden zählen UPS, DHL, Amazon Prime und XPO Logistics – Unternehmen, die auf effiziente und klimafreundliche Transportlösungen setzen.
Gelingt der Schienenverkehrs-Durchbruch diesmal wirklich?
Obwohl die Technik von Cargo Beamer vielversprechend ist, gibt es Hürden.
📌 Engpässe in der Schieneninfrastruktur: Lokomotiven, Trassen und Bahnhöfe sind überlastet – ein Problem, das auch die beste Verladetechnik nicht sofort lösen kann.
📌 Hohe Investitionskosten: Jedes Terminal kostet rund 40 Millionen Euro. Das Unternehmen braucht starke Investoren.
📌 Wettbewerb mit der Straße: Die Lkw-Industrie ist eingespielt und effizient. Cargo Beamer muss beweisen, dass der Schienenweg günstiger und genauso flexibel sein kann.
Das Unternehmen hat bereits rund 330 Millionen Euro Kapital eingesammelt. Zu den Investoren gehören die Familien Albrecht (Aldi), Schwarz (Pharma), Wacker (Chemie) und Klatten (BMW) sowie der New Yorker Fonds Orion Infrastructure Capital. Auch staatliche Fördermittel flossen – 90 Millionen Euro aus Deutschland und der Schweiz.
Kann Cargo Beamer den Markt umkrempeln?
Noch sind viele Experten skeptisch. Der Logistikriese Schmitz Cargobull zweifelt daran, dass die Schiene ihren Marktanteil von derzeit 19 Prozent überhaupt halten kann.
Andere sehen in der Cargo Beamer-Technologie eine echte Chance: Wenn die Restriktionen der Kranverladung entfallen, könnten täglich Tausende weitere Trailer auf die Schiene wechseln.
Der Weg zur echten Marktveränderung bleibt jedoch steinig. Das eigentliche Problem ist nicht die Technik – sondern die Schieneninfrastruktur selbst. Ob Cargo Beamer langfristig erfolgreich ist, hängt davon ab, wie schnell das Unternehmen expandiert und ob genug Terminals entstehen.
Doch eines ist klar: Ohne Innovationen wie diese wird die Verkehrsverlagerung auf die Schiene nicht gelingen.
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